Die Burg Angern als Forschungsgegenstand: Quellenlage, Befundauswertung und Rekonstruktionspotenzial. Die Burganlage von Angern in Sachsen-Anhalt stellt ein bislang kaum wissenschaftlich untersuchtes Beispiel für eine hochmittelalterliche Wasserburg mit außergewöhnlich gut erhaltener Geländestruktur und dokumentierbaren Baubefunden dar.
Die Quellenlage und bauliche Befunde - Rekonstruktion einer spätmittelalterlichen Wasserburg. Die Burg Angern in der Altmark stellt ein selten erforschtes Beispiel für eine spätmittelalterliche Wasserburg mit außergewöhnlich gut erhaltener Geländestruktur und greifbaren Bauspuren dar. Errichtet im 14. Jahrhundert unter dem Magdeburger Erzbistum, blieb ihre ursprüngliche Funktionsgliederung – bestehend aus Hauptburg, Vorburg und separater Turminsel – trotz späterer Zerstörungen und barocker Überformungen bis heute in ihrer Grundstruktur nachvollziehbar geblieben. Die Umrisse der Gräben und die Insellage liefern eine seltene, anschauliche Grundlage für die topografische Rekonstruktion der spätmittelalterlichen Burgstruktur. Diese klare Dreigliederung – Wohnbereich, Wirtschaftsbereich und Wehrinsel – ist im norddeutschen Raum nur selten in solcher Klarheit überliefert. Das vorliegende Essay analysiert die archivalischen Quellen und baulichen Überreste und bewertet das Rekonstruktionspotenzial der Anlage im Vergleich mit regionalen Parallelbeispielen.
KI Rekonstruktion der Hauptburg Angern mit Innenhof und Palas
Bauzeitliche Einordnung und architekturhistorische Bewertung der Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern. Die im Erdgeschoss des Palas erhaltenen Tonnengewölbe lassen sich auf Basis ihrer Bauweise, Materialität und handwerklichen Ausführung mit hoher Wahrscheinlichkeit in die erste Bauphase der mittelalterlichen Burg Angern datieren. Diese fällt in die Zeit um 1340 und ist durch archivalische Quellen belegt (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H, Nr. 412). Beide Gewölbe – ein nördlicher und ein südlicher Raum – sind als gedrückte Tonnenwölbungen in regelmäßiger Ziegeltechnik ausgeführt. Die Ziegel wurden in flachen Lagen längs zur Tonnenachse verlegt, ohne Rippen- oder Gurtgliederung. Die Wölbtechnik folgt einer funktionalen Statik, wie sie im hochmittelalterlichen Burgenbau der Altmark für Lager- und Wirtschaftsräume üblich war. Charakteristisch sind die flach ansetzenden Wölbansätze und das Fehlen von Kämpferprofilen oder Gliederungselementen. Die formale Schlichtheit verweist auf eine Nutzung als Vorrats- oder Wirtschaftsraum. Vergleichbare Ausführungen finden sich u. a. in Ziesar, Beetzendorf und Kalbe (Milde), wodurch die Einordnung in die hochmittelalterliche Erstbauphase zusätzlich gestützt wird.
Im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern ist ein abgewinkelter, tonnengewölbter Verbindungsgang mit halbkreisförmigem Querschnitt und einer charakteristischen 180°‑Kehre erhalten, der zwei parallel angelegte Tonnengewölberäume auf dem gleichen Niveau verbindet. Der Zugang erfolgt über eine schmale Passage, die unmittelbar nach dem Eintreten eine sofortige Richtungsänderung ausführt. Die Gangführung bleibt dabei vollständig tonnengewölbt und verläuft in unmittelbarer Nähe zur westlichen Außenmauer des Palas. Die lichte Breite des Durchgangs beträgt etwa 1,50 m, was eine großzügige Nutzung – beispielsweise mit Karren oder Tragevorrichtungen – ermöglicht. Die bauarchäologische Zuordnung des Gangs – insbesondere seine Einbindung in das Mauergefüge und die verbleibende Wandstärke zwischen Innen- und Außenseite – ist noch nicht abschließend geklärt. Ob der Gang vollständig innerhalb der Außenmauer liegt oder nur teilweise davon umfasst wird, bleibt ein Gegenstand laufender Untersuchungen. Das Mauerwerk besteht aus regionaltypischem, unregelmäßig gelagertem Bruchstein mit kalkhaltigem Mörtel. Putzreste sind im unteren Bereich bisher nicht nachweisbar, was auf eine unbehandelte, funktionale Kelleroptik schließen lässt.
Erhaltene mittelalterliche massive Bruchsteinwand mit Eingang zum abgewinkelten Verbindungsgang (links)
Die im tonnengewölbten Erdgeschoss des Palas der Burg Angern erhaltenen Fensteröffnungen stellen ein selten überliefertes und bauhistorisch besonders aufschlussreiches Element hochmittelalterlicher Kellerarchitektur dar. Sie befinden sich in der östlichen Außenwand der Hauptburg und lassen sich anhand ihrer formalen Ausgestaltung, der baulichen Einbindung in das Mauerwerk sowie der verwendeten Materialien mit hoher Wahrscheinlichkeit in die ursprüngliche Bauphase um 1340 datieren. Als gezielt geplante Lichtöffnungen in funktionalen, nichtrepräsentativen Raumeinheiten belegen sie eine differenzierte Bau- und Nutzungskonzeption, wie sie für wirtschaftlich genutzte Bereiche hochmittelalterlicher Wasserburgen im mitteldeutschen Raum charakteristisch ist.
Südfassade der Hauptburg von Angern: Die Südfassade liegt unmittelbar am Wassergraben und bildet die südliche Begrenzung der Hauptburginsel. Sie stellt einen der wichtigsten Bauteile der Anlage dar, da sie sowohl zum Wasser als auch zum historischen Zugangssystem ausgerichtet ist. Besonders hervorzuheben ist die südwestliche Partie der Ringmauer, die hier im Übergangsbereich zur Turminsel ansetzt. Diese Mauerzone lässt sich als der am besten überkommene Teil der ursprünglichen hochmittelalterlichen Ringmauer interpretieren, die im südwestlichen Bereich der Hauptburginsel erhalten geblieben ist und sich durch ein homogenes Bruchsteinmauerwerk ohne barocke Aufmauerungen auszeichnet.
Süd-West-Ecke der Hauptburg mit barocker Brücke zur Turminsel