Zugemauerte Fenster in der Ringmauer der Hauptburg Angern – eine bauhistorische Untersuchung. Die in der östlichen und westlichen Ringmauer der Hauptburg von Angern nachgewiesenen Fensteröffnungen sind ein zentrales Indiz für Veränderungen der Nutzung und Gestaltung der Burganlage zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert. Die Untersuchung ihrer baulichen Struktur, ihrer Positionierung und ihrer Einbindung in das umliegende Mauerwerk erlaubt Rückschlüsse auf die Entstehungszeit und die Nutzungslogik der betroffenen Bauteile. Der vorliegende Befundbericht basiert auf einer Auswertung der erhaltenen Bausubstanz, archivalischer Hinweise sowie einer kritischen Analyse des Mauerwerks im Kontext der Wiederbesiedlung nach 1650 und des barocken Neubaus um 1735.
Kontext: Aufschüttung und Umbauten nach 1631
Die Zerstörung der Burg Angern im Jahr 1631 im Zuge des Dreißigjährigen Kriegs hinterließ erhebliche Schäden an der Bausubstanz. Nach der Rückkehr der Familie von der Schulenburg begannen ab etwa 1650 erste Wiederaufbaumaßnahmen, dokumentiert durch die Kirchenvisitation in diesem Jahr und die Erwähnung erhaltener Kelleranlagen. Zwischen 1650 und dem barocken Neubau ab 1735 wurde die Hauptburginsel offenbar schrittweise verfüllt – eine Maßnahme, die vermutlich der Angleichung des Geländeniveaus an das 1680 erwähnte neue Wohnaus auf der Turminsel diente. Dass diese Auffüllung vor dem von Christoph Daniel von der Schulenburg veranlassten Schlossneubau abgeschlossen war, belegen unter anderem die asymmetrische Positionierung der Fensteröffnungen im unteren Drittel der heutigen Wandhöhe sowie die Überdeckung dieser Öffnungen durch aufgefülltes Bodenmaterial. Weitere Hinweise auf die Geländeveränderungen liefert das Gutsarchiv Angern, insbesondere Rep. H Nr. 412. In einem Schreiben aus dem Herbst 1737 heißt es:
„Dieser Fehler verursacht, dass der Hof vor dem Haus verniedrigt werden muss, wodurch das Turm gewölbe nebst dem dabei stehenden Keller eingebrochen und verschüttet werden muß, maßen sonst der Platz nicht zu erniedrigen“ (Rep. H Angern Nr. 412, Nr. 2).
Diese Passage belegt, dass es zur baulichen Angleichung der verschiedenen Gebäudefundamente notwendig war, das zuvor aufgeschüttete Terrain wieder abzusenken – ein Eingriff, der tiefgreifende Auswirkungen auf das erhaltene mittelalterliche Gewölbesystem hatte. In einem ergänzenden Schreiben vom 18. November 1737 wird eine alternative Maßnahme erörtert:
„[…] daß der kleine Graben sowohl als die Gewölbe können konserviert werden, auf die Maße, daß man die Decke derer Gewölbe ganz wieder neu schlüge und solche niedriger mache […]“ (Rep. H Angern Nr. 412, Nr. 4).
Diese Quellen belegen zweifelsfrei, dass die Auffüllung der Hauptburginsel nach 1631 gezielt vorgenommen und spätestens vor Beginn des barocken Neubaus abgeschlossen war. Sie hatte zur Folge, dass ältere Bauelemente – darunter das Erdgeschoss des Palas und die Gewölbe auf der Turminsel – sukzessive im Terrain verschwanden. Die Notwendigkeit späterer Absenkungen des Hofniveaus ab 1737 bestätigt die zuvor erfolgte Aufschüttung eindrücklich.
Beschreibung der Fenster in der Westwand
Die westliche Ringmauer der Hauptburg zeigt mehrere zugemauerte Fensteröffnungen, die von außen durch abweichendes Ziegelmauerwerk klar erkennbar sind. Das umgebende Mauerwerk besteht im unteren Bereich aus unregelmäßigem Bruchstein (wohl aus der Bauphase um 1340), das im oberen Bereich mit Ziegeln ergänzt wurde. Die Fenster sind in diesen Ziegelabschnitt eingelassen. Ihre Laibungen bestehen aus teils grob zugeschnittenen Ziegeln ohne sichtbare bauzeitliche Gewändestrukturen, was gegen eine ursprüngliche Einbindung in das mittelalterliche Mauerwerk spricht. Es handelt sich vielmehr um nachträglich eingeschnittene Öffnungen, deren Rückseite durch einfache Segmentbögen oder flache Stürze begrenzt war.
Vermauerte Fenster in der westlichen Ringmauer
Fenster in der östlichen Außenwand des Palas
Im Gegensatz zu den Westfenstern sind die beiden nördlichen Fenster in der Ostwand des Palas bauzeitlich um 1340 entstanden. Sie sind als asymmetrisch platzierte Schlitzfenster in die Ziegelbasis des Tonnengewölbes eingebunden. Die Laibungen bestehen aus regionaltypischen Backsteinen, die sich in Form und Brennstruktur deutlich von den später verwendeten Ziegeln unterscheiden.
Im südlichen Abschnitt der Ostfassade des Palas der Burg Angern sind mindestens drei ehemals offene Fensteröffnungen durch Ziegel- und Bruchsteinmauerwerk verschlossen worden. Die Fenster sind durch ihre leicht segmentbogige Laibung sowie durch die umliegende, abweichende Mauertextur klar im Mauerbild ablesbar. Der Verbund der Ziegel im Bereich der Verschlussflächen weicht in Format, Farbigkeit und Fugenführung vom umgebenden ursprünglichen Mischmauerwerk ab, was auf eine spätere, sekundäre Vermauerung hindeutet.
Die ursprünglichen Fensteröffnungen sind tief im Bruchsteinbereich der Wand eingebettet und liegen deutlich unterhalb der heutigen Hof- bzw. Erdgeschosslinie. Diese Position belegt, dass der Innenraum zur Entstehungszeit der Fenster (vermutlich um 1340) tiefer lag und dass die heutigen Oberkanten der Fenster durch nachträgliche Geländeaufschüttungen teilweise überdeckt wurden. Die erhaltenen Laibungen und Segmentbögen entsprechen in Typologie und Proportion den hochmittelalterlichen Kellerfenstern vergleichbarer Anlagen in Ziesar, Beetzendorf und Kalbe/Milde.
Die Vermauerung erfolgte mit Mischmaterial aus Backstein und Feldstein unter Verwendung eines Mörtels, der sich in Textur und Bindemittelanteil vom bauzeitlichen Fugenmaterial unterscheidet. Diese baulichen Eingriffe lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Zeit nach der Zerstörung der Burg 1631 einordnen. Hinweise auf eine Nutzungsänderung sowie auf das Anheben des Geländeniveaus finden sich in den Akten des Gutsarchivs Angern (Rep. H Nr. 412), in denen ausdrücklich von der „Verniedrigung des Hofes“ und dem notwendigen Umbau der Kellerdecken die Rede ist.
Insgesamt belegt der Befund eine bauliche und funktionale Transformation der Ostwand nach der Zerstörung von 1631: Die einstigen Licht- und Belüftungsöffnungen wurden durch Aufschüttung und Mauerveränderung funktionslos, was durch die sekundäre Vermauerung kompensiert wurde. Die Lesbarkeit der ursprünglichen Fenster im Mauerbild unterstreicht den hohen dokumentarischen Wert dieses Fassadenabschnitts für die Bauphasenanalyse des Palas.
Zugemauerte Fenster in der Ostwand der Hauptburg
Datierung und bauhistorische Einordnung
Die Fenster in der Westwand sowie die südlichen Fenster in der Ostwand sind nicht bauzeitlich. Sie wurden nachträglich in das barock überformte Mauerwerk der Westseite eingesetzt – vermutlich zwischen 1650 und 1735, also in der Phase der provisorischen Nutzung nach dem Dreißigjährigen Krieg und vor dem systematischen Neubau durch Christoph Daniel von der Schulenburg. Für eine Datierung in diese Zeitspanne spricht:
- der Einbau in aufgefüllte Ringmauerabschnitte mit neu aufgemauertem Ziegelmauerwerk,
- das Fehlen typischer mittelalterlicher Fensterdetails wie Gewändesteine oder Lichtschlitze,
- die asymmetrische Setzung in den Wandflächen und
- die spätere, technisch deutlich unterscheidbare Vermauerung der Öffnungen, teilweise mit Ziegeln aus dem 19. Jahrhundert.
Es ist daher davon auszugehen, dass diese Fensteröffnungen kurzzeitig zur Belichtung von Räumen dienten, die in der Ringmauer oder in Anbauten an dieselbe lagen. Eine Nutzung als Lager- oder Wirtschaftsbereiche in der Übergangszeit nach 1650 erscheint wahrscheinlich.
Schlussfolgerung
Die baulichen Befunde an den zugemauerten Fensteröffnungen der Burg Angern belegen eine differenzierte Nutzungsgeschichte der Hauptburginsel in der Zeit zwischen Zerstörung (1631), Wiederbesiedlung (vor 1650) neuem Wohnhaus (vor 1680) und barockem Neubau (ab 1735). Damit spiegeln sie präzise die Umbruchsituation wider, in der auf den Ruinen der alten Burg provisorische, dann planvolle neue Strukturen errichtet wurden. Der bauliche Kontext dieser Fenster ist ein wichtiges Indiz für die Nutzungskontinuität und den Wandel der Anlage im 17. und frühen 18. Jahrhundert.
Vermauertes Fenster im südlichen Bereich der Ostwand
Quellen
- Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 79: Bauverlauf, Wiederaufbau nach 1650, Fensterzählung
- Dorfchronik Angern: Kirchenvisitation 1650, vier erhaltene Keller, Hinweis auf Bausubstanz vor 1735
- Ziegelprägung „Kehnert“ im nördlichen Ostfenster (Datierung 19. Jh.)(eigene Untersuchung)