Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg. Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.

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Zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs um 1618 wies die Burg Angern noch weitgehend die hochmittelalterliche Grundstruktur aus dem 14. Jahrhundert auf. Die Anlage gliederte sich in drei funktional differenzierte Zonen: die Hauptburg mit dem Palas auf der zentralen Insel, die westlich vorgelagerte Vorburg mit Wirtschaftsgebäuden sowie eine isolierte Turminsel mit dem Bergfried. Diese Dreiteilung entsprach dem klassischen Schema altmärkischer Niederungsburgen (Zeune 1994; Dehio 2002). Die umlaufenden Wassergräben waren vermutlich noch intakt und bildeten eine wirkungsvolle erste Verteidigungslinie. Die Bauten selbst bestanden aus massiven Bruchsteinmauern mit tonnengewölbten Untergeschossen, Schießscharten und kontrollierten Zugangszonen – Merkmale, die auf eine ursprünglich wehrhafte Nutzung hindeuten. Gleichwohl fehlten der Anlage zeitgemäße Verstärkungen gegen neuartige Bedrohungen: Bastionen, Erdwälle und Artillerieplattformen waren nicht vorhanden, und die vorhandene Mauerstruktur war modernen Geschützen nicht gewachsen. Zudem lag die Burg strategisch isoliert und war in kein größeres Verteidigungssystem eingebunden (Menzel 2017).

Die Härten des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) trafen Matthias von der Schulenburg in besonderer Schärfe. Seine Besitzungen in Angern und Umgebung wurden wiederholt geplündert – sowohl durch kaiserliche als auch durch schwedische Truppen, da sich militärische Kontrollverhältnisse und territoriale Loyalitäten in dieser Phase des Krieges häufig kurzfristig änderten. Die Region um Angern lag in einem strategisch sensiblen Durchzugsraum zwischen Magdeburg, der Altmark und dem Braunschweiger Territorium, der im Verlauf der 1630er Jahre mehrfachen Truppendurchzügen, Kontributionen und Gewalttaten ausgesetzt war.

Verteidigungsweise im Dreißigjährigen Krieg: Möglichkeiten und Grenzen

Die sich wandelnden Anforderungen frühneuzeitlicher Kriegsführung stellten traditionelle Burganlagen wie Angern vor strukturelle und funktionale Grenzen. Trotz intakter Wassergräben, massiver Gewölbebauten und einer weiterhin klar ablesbaren Inseldisposition konnte die Anlage dem Druck professionell geführter Angriffstruppen kaum mehr standhalten. Wie in vielen Burgen der Altmark hatten sich auch in Angern bereits vor 1618 bauliche Veränderungen eingestellt: Fenster könnten vergrößert, Wohnräume erweitert, neue Dachformen oder Kamine eingefügt worden sein. Diese Modifikationen belegen den Übergang von der militärischen zur wohnlich-repräsentativen Nutzung, ohne jedoch das Wehrkonzept völlig aufzugeben.

Im Verteidigungsfall standen noch klassische Mittel zur Verfügung: schließbare Brücken und Tore, rückzugsfähige Gewölberäume, eine isolierte Turminsel mit Beobachtungsmöglichkeiten und Schießscharten. Gegenüber der zunehmenden Mobilität und Feuerkraft frühneuzeitlicher Truppen, insbesondere gegenüber Reitereinheiten mit Brandmitteln und mobiler Artillerie, blieb dieser Verteidigungsstandard jedoch unzureichend. Die Ereignisse im Sommer 1631 – als das Holksche Regiment Angern angriff, plünderte und niederbrannte – zeigten die Grenzen dieser Mischform aus mittelalterlicher Wehrburg und frühneuzeitlichem Adelssitz deutlich auf.

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Innenhof der Hauptburg Angern mit Palas und Bergfried

Heinrich von Holk und das Holksche Regiment

Die Region war zu diesem Zeitpunkt von konfessionellen Spannungen und militärischen Operationen zwischen kaiserlichen und protestantischen Kräften geprägt. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs war katholisch. Konkret war es Ferdinand II. (regierte 1619–1637), ein überzeugter Vertreter der Gegenreformation. Er betrachtete es als seine Aufgabe, den Katholizismus im Reich zu stärken und die protestantischen Territorien zurückzudrängen. Seine rigorose Religionspolitik war eine der zentralen Ursachen für den Ausbruch und die Eskalation des Dreißigjährigen Kriegs. Auch sein Nachfolger Ferdinand III. (ab 1637) war katholisch, verfolgte jedoch eine diplomatischere Linie. In diesem Zusammenhang wurde Angern als protestantisch geprägtes Ziel ausgewählt. Die Zerstörung diente der Abschreckung möglicher Unterstützer der schwedischen Intervention unter Gustav Adolf.

Das sogenannte Holksche Regiment war eine berüchtigte Reitereinheit unter dem Kommando von Heinrich von Holk (1599–1633), einem dänischen Adligen, der nach dem Frieden von Lübeck 1629 in kaiserliche Dienste trat. Am 26. März 1630 wurde er von Kaiser Ferdinand II. zum Oberst eines Regiments von 3000 Mann bestellt. Er gewann das Vertrauen Wallensteins und nahm am 20. Mai 1631 unter Tilly an der Eroberung Magdeburgs teil. Auch in Böhmen, das er unter Wallensteins Kommando von den sächsischen Truppen Feldmarschall Arnims zu säubern hatte, erhielt er Gelegenheit, seine militärische Tüchtigkeit zu beweisen. Nachdem Wallenstein nach seiner zwischenzeitlichen Entlassung im April 1632 vom Kaiser wieder den Oberbefehl übertragen bekommen hatte, wurde Holk auf Empfehlung von Wallenstein zum Generalwachtmeister ernannt.

Holks Regiment war bekannt für rücksichtslose Kriegsführung und berüchtigt für systematische Plünderungen, Brandschatzungen und Terror gegen die Zivilbevölkerung. Holk trat als aktiver Kritiker der militärischen Ineffizienz anderer Generäle auf, wurde aber selbst zum Symbol des brutalen Kriegshandwerks. Damals wurde auch das Kürassierregiment der „Holkschen Reiter“ aufgestellt, die Bekanntheit erlangten und in Schillers „Wallensteins Lager“ Erwähnung finden.

Der Angriff des Holkschen Regiments auf Angern 1631

Am 20. Mai 1631 wurde die protestantische Reichsstadt Magdeburg nach wochenlanger Belagerung von den Truppen der katholischen Liga unter Johann T’Serclaes von Tilly gestürmt. Der Angriff endete in einem der schlimmsten Massaker des Dreißigjährigen Krieges – der sogenannten Magdeburger Hochzeit, bei der zwischen 20.000 und 30.000 Menschen den Tod fanden. Die Stadt ging in Flammen auf, und ihre Verteidigung war gebrochen.

Im Anschluss an dieses Massaker zog sich ein Teil des kaiserlich-ligistischen Heeres aus dem brennenden Magdeburg zurück. Eine entscheidende Rolle spielte dabei das unter dem Oberkommando Heinrichs von Holk (auch: Holke, dänischer Herkunft) stehende Reiterregiment. Holk war berüchtigt für Disziplinlosigkeit seiner Truppen, brutale Repressalien gegen die Landbevölkerung und eigenmächtige Beutezüge – ein Muster, das sich in den folgenden Wochen auch in der Altmark wiederholte.

Der Chronist Johann Michael Heineccius berichtet in seiner „Kurzen Historie von Magdeburg“ (ca. 1700), dass Obrist Holk nach der Plünderung der Stadt mit seinen Regimentern in das Umland zog, um durch Gewaltakte, Raubzüge und erzwungene Einquartierungen die Versorgung sicherzustellen. Dabei verweist er auch auf die Altmark als betroffene Region, ohne jedoch einzelne Ortschaften wie Angern namentlich zu nennen. Zeitgenössische Darstellungen wie das Theatrum Europaeum (Band 3, Frankfurt 1635) berichten allgemein, dass sich Holks Reiter nach der Einnahme Magdeburgs „in der Altmark und um Wolmirstedt“ bewegten, Dörfer in Brand setzten und Quartiere mit Waffengewalt erpressten. Der gezielte Angriff auf Angern wird dort zwar nicht namentlich erwähnt, fügt sich jedoch in das dokumentierte Vorgehen des Regiments in dieser Phase ein.

Laut der Dorfchronik Angern wurde die Burg im Jahr 1631 in einem nächtlichen Überfall durch das Holksche Reiterregiment unter dem Befehl des Obristen Heinrich von Holk eingenommen und in Brand gesetzt. Der Angriff erfolgte im Zusammenhang mit den Verwüstungen, die nach der Eroberung Magdeburgs durch kaiserlich-ligistische Truppen am 20. Mai 1631 die umliegenden Regionen trafen. Angern lag nordwestlich von Magdeburg und wurde – wie viele Dörfer in der Altmark – offenbar Opfer eines gewaltsamen Durchzugs. Hinweise auf eine vorherige Nutzung der Burg durch kaiserliche Truppen sind in den überlieferten Quellen nicht eindeutig belegt. Die Anlage wurde vollständig zerstört; nur das Pforthäuschen, ein Viehstall ohne Dach und die Brauerei blieben stark beschädigt erhalten.

„Bei dem anschließenden Brand des Dorfes kam auch die Burg zu Schaden. Nach einem alten Bericht blieben nur die beschädigte Brauerei, ein Viehstall ohne Dach und das ebenfalls beschädigte Pforthäuschen stehen. (Dorfchronik Angern, um 1700, zitiert nach Gutsarchiv Angern)

Angern verfügte zu diesem Zeitpunkt über eine noch intakte, mittelalterliche Befestigungsstruktur mit Wehrmauern, einem achtgeschossigen Hauptturm und mehreren tonnengewölbten Gebäuden, die teils als Vorrats- und Fluchträume dienten. Die Burg befand sich im Besitz von Henning III. von der Schulenburg, der mit seiner Familie in Angern lebte. Die Schulenburgs waren selbst protestantisch geprägt, und ihre Bediensteten, Verwalter und vielleicht auch lokale Bauern könnten sich gegen Holks Überfall gewehrt haben. Da Henning selbst erst 1637 starb, ist davon auszugehen, dass er den Überfall erlebte – möglicherweise war er selbst nicht anwesend, möglicherweise aber auch direkt betroffen. Die Verteidigung der Burg war offenbar nicht durch reguläre Soldaten organisiert, sondern wurde durch eine Mischung aus Knechten und möglicherweise flüchtenden Dorfbewohnern getragen. Die Formulierung in der Quelle, „wo sich viele fremde Örter hin salviret“, legt nahe, dass Menschen aus umliegenden Orten in die Burg geflüchtet waren und dort Schutz suchten.

Verteidigungsmaßnahmen: Für eine mittelalterliche Wasserburg wie Angern kamen im Dreißigjährigen Krieg insbesondere folgende Schutzmechanismen in Betracht:

  • Verriegelung der Außentore und Brückenzugänge durch Ziehbrücken oder Blockwerk,
  • Einlagerung lebensnotwendiger Vorräte in den Gewölben (z. B. Korn, Wein, Salz, Wasser),
  • Anlegen einfacher Palisaden oder Schanzen auf der Vorburg oder den vorgelagerten Wiesen,
  • Nutzung des Bergfrieds als Rückzugsort mit kleinem Munitionsvorrat,
  • Besetzung von Schießscharten, vor allem an Engstellen wie Brückenaufgängen,
  • Signalgabe und Ausguck vom Wehrgeschoss des Turms.

In akuten Bedrohungssituationen war ein Rückzug in die Hauptburg oder – als letzte Verteidigungslinie – in den Bergfried möglich. Die isolierte Lage der Turminsel erlaubte eine zeitweise eigenständige Verteidigung. Angern war somit ein ideales Ziel: eine kleine, isolierte Burganlage mit symbolischer Bedeutung, begrenzter Verteidigungsfähigkeit und hoher logistischer Verwertbarkeit. Ihr Fall diente als Warnung an andere Ortschaften vor der anstehenden Großoffensive auf protestantisches Gebiet. Die Zerstörung von Angern war daher kein Zufall, sondern Teil einer strategisch geplanten operativen Raumausschaltung.

Verlauf und Folgen des Angriffs: Die Zerstörung der Burganlage traf insbesondere die Vorburg, den Palas sowie den Wehrturm schwer. Die kleine Burgbesatzung konnte dem nächtlichen Überfall durch Holks mobile Reitereinheit nichts entgegensetzen. Die Hauptburg mit dem Palas und der Ringmauer sowie der Bergfried hielten dem konzentrierten Angriff mit Musketen und Brandmitteln vermutlich nicht stand und wurden spätestens beim zweiten Überfall nach dem 17. Juli in großen Teilen zerstört. Eine zeitgenössige Quelle berichtet von zahlreichen menschlichen Überresten, Kugeln und Kriegsausrüstung, die im Bereich der Burg und des "Bruchs", dem späteren Lustgarten, gefunden wurden.

„…ist vordem ein Bruch gewesen, worinnen man wie auch im Hofe viele tote Körper gefunden, auch Kugeln und Kriegs-Arematouren, welches eine Kundschaft anzeiget, daß es zu Bataille und blutigem Gefecht gekommen sei.“ (Gutsarchiv Angern Rep. H Nr. 444)

Diese Funde belegen die blutigen Gefechte und verheerenden Auswirkungen der militärischen Auseinandersetzungen. Die Zerstörung durch das Holksche Regiment hatte nicht nur militärische, sondern auch tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Folgen für die Region. Die Verwüstung der Befestigungsanlagen sowie die nachhaltigen Schäden an Siedlungen und Infrastruktur führten zu einem grundlegenden Wandel und einer Neuordnung der Herrschaftsstrukturen in der Altmark nach dem Dreißigjährigen Krieg.

Motivation und Zielsetzung: Die Angriffe unter Heinrich von Holk im Sommer 1631 verfolgten eine dreifache Zielsetzung:

  1. Militärisch-strategisch: Die Operationen dienten der gezielten Schwächung protestantischer Territorien im Vorfeld der absehbaren Konfrontation mit den anrückenden schwedischen Truppen unter Gustav II. Adolf. Durch das Niederbrennen von befestigten Positionen und die Ausschaltung potenzieller Rückzugsräume sollten Versorgungslinien und Kommunikationsachsen des Gegners destabilisiert werden.
  2. Versorgungstechnisch: Wie für viele frühneuzeitliche Söldnerheere üblich, erfolgte die Finanzierung der Truppen zu einem erheblichen Teil über Eigenversorgung und Beutezüge. Die Zerstörung von Angern diente daher auch der materiellen Selbsterhaltung der Einheiten Holks, die in der Region gezielt auf Vorratslager, Viehbestände und nutzbare Infrastruktur ausgerichtet waren.
  3. Psychologisch: Die brutale Vorgehensweise – schnelle Überfälle, Brandlegung und rücksichtslose Plünderung – hatte abschreckende Wirkung. Sie sollte die moralische Widerstandskraft der Bevölkerung und kleiner Garnisonen unterminieren und Loyalitäten zugunsten der kaiserlichen Seite verschieben.

Die schwedische Intervention unter König Gustav II. Adolf begann zwar bereits im Sommer 1630 mit der Landung in Pommern, gewann jedoch erst ab dem Herbst 1631 – nach dem Bündnis mit Kursachsen und dem Sieg bei Breitenfeld – strategisch entscheidenden Einfluss. Die Lage in der Region um Angern konnte dadurch nicht unmittelbar stabilisiert werden; vielmehr geriet die Zivilbevölkerung dauerhaft zwischen die Fronten, geplagt von wechselnden Einquartierungen, Kontributionen, Brandschatzung und Seuchen.

Zerstörung der Burg

Entgegen der Entwicklung in anderen Festungen wurde die hohe Ringmauer der Burg Angern höchstwahrscheinlich nicht durch gezielten Artilleriebeschuss zerstört. Das Holksche Regiment war vor allem für schnelle Überfälle und Brandlegungen bekannt, nicht für langwierige Belagerungen mit schweren Geschützen. Weder die überlieferten Quellen noch der archäologische Befund liefern Hinweise auf systematischen Kanonenbeschuss. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Ringmauer im Verlauf des 17. Jahrhunderts durch Feuer, einstürzende Aufbauten, strukturellen Verfall und spätere Materialentnahmen beschädigt und zerstört wurde. Dennoch sind bis heute Teile der Ringmauer erhalten, die bis zur Höhe des ersten Obergeschosses des Palas reichen.

Besonders schwer betroffen war der Palas auf der Ostseite der Hauptinsel. Das Gebäude mit funktionalen Wirtschaftsräumen im Erdgeschoss und dem repräsentativen Wohnbereich im Obergeschoss wurde durch Feuer stark beschädigt. Erhalten blieben vor allem die massiven Gewölbestrukturen des Erdgeschosses, Teile der Ostwand des Palas sowie die Ringmauer. Die Zerstörung erstreckte sich insbesondere auf Dach- und Fachwerkaufbauten sowie das hölzerne Interieur. Auch einige Etagen des angrenzenden Turms überdauerten möglicherweise den Brand und wurden erst 1735 bis auf das Erdgeschoss abgebrochen. Dieses Erdgeschoss mit den anschließenden Gewölben ist bis heute erhalten.

Laut einem Bericht in der Dorfchronik Angern blieben nach der Zerstörung lediglich drei Nebengebäude in ruinösem Zustand erhalten: die beschädigte Brauerei, ein Viehstall ohne Dach und das Pforthäuschen (Gutsarchiv Angern, Rep. H 79). Trotz der erheblichen Schäden bestätigen spätere Quellen, dass wesentliche Teile der mittelalterlichen Kernstruktur überdauerten. So deutet eine Kirchenvisitation von 1650, die im Haus Heinrich von der Schulenburg stattfand, auf eine teilweise Wiederbewohnbarkeit der Burg hin. Besonders bemerkenswert ist der Eintrag, dass „die vier Keller und der alte Turm“ noch vorhanden waren. Damit sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die tonnengewölbten Räume im Erdgeschoss des Palas sowie der Bergfried auf der Turminsel gemeint – massive Bauteile, die den Bränden standhielten und die spätere Wiederherstellung der Anlage ermöglichten. Diese erhaltenen Strukturen sind heute von großer Bedeutung, da sie einen der wichtigsten architektonischen Nachweise für die hochmittelalterliche Bausubstanz der Burg Angern darstellen.

Militärische Präsenz in Burg Angern während des Spanischen Erbfolgekriegs

Während des Spanischen Erbfolgekriegs (1701–1714) war die verbliebene Burganlage in Angern auch im frühen 18. Jahrhundert von militärstrategischer Bedeutung. Im Jahr 1705 wurde ein Detachement des K.u.k. Böhmischen Dragoner-Regiments "Graf Paar" Nr. 2 zur Verteidigung der Anlage und zur Sicherung des umliegenden Gebiets abgestellt. Dragoner waren berittene Truppen, die sowohl als leichte Kavallerie für Aufklärung und schnelle Angriffe als auch für den Kampf zu Fuß eingesetzt wurden. Die Stationierung einer solchen Einheit in Angern verdeutlicht, dass die Burg noch immer eine wichtige Rolle in der regionalen Verteidigungs- und Kontrollstruktur innehatte. Diese Maßnahme fiel in eine Zeit, in der der Spanische Erbfolgekrieg ganz Europa erfasste und zahlreiche territoriale Konflikte im Heiligen Römischen Reich mit lokalen Machtverschiebungen einhergingen. Die militärische Präsenz in Angern sollte nicht nur die Burg selbst schützen, sondern auch wichtige Verkehrswege und Nachbargebiete überwachen, die im Krieg von strategischer Bedeutung waren. Die Entscheidung, Teile des Dragoner-Regiments „Graf Paar“ in Angern zu stationieren, lässt sich somit als Ausdruck der fortdauernden Bedeutung der Burg als militärisches und administratives Zentrum interpretieren, das auch nach den schweren Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges eine zentrale Rolle in der Herrschaftsstruktur der Region spielte.

Vergleichende Beispiele zu Kriegsschäden und Burgzerstörungen in der Altmark

Die Zerstörungen am Bergfried und der Burganlage Angern sind kein Einzelfall, sondern fügen sich in eine weit verbreitete Zerstörungswelle ein, die der Dreißigjährige Krieg im Gebiet der Altmark und angrenzenden Regionen anrichtete.

Burg Beetzendorf: Diese mittelalterliche Burganlage erfuhr im Dreißigjährigen Krieg ebenfalls schwere Schäden durch kriegerische Handlungen und wurde in Teilen zerstört. Archäologische Untersuchungen und schriftliche Quellen belegen Brände und Plünderungen, die ähnliche Spuren wie in Angern hinterließen. Auch hier gingen bedeutende Teile der Befestigungsanlagen verloren, und die Burg verlor ihre strategische Bedeutung (vgl. Dehio 2002).

Burg Apenburg: Im benachbarten Gebiet wurde die Burg Apenburg mehrfach von Kriegsgeschehen betroffen. Historische Berichte verweisen auf Einfälle und Belagerungen, die die Anlage beschädigten und den Ort stark beeinträchtigten. Die Burg wurde später umgebaut, doch wie in Angern zeugen Zerstörungen von der kriegerischen Vergangenheit der Region (vgl. Grimm 1958).

Tangermünde: Der Bergfried von Tangermünde, der in der Höhenrekonstruktion als Vergleichsobjekt dient, war ebenfalls strategisch bedeutsam und überstand den Krieg nur teilweise unbeschadet. Die Verteidigungssysteme wurden im Lauf der Zeit an neue militärische Erfordernisse angepasst, ähnlich wie es in Angern der Fall war.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Dreißigjährige Krieg in der Altmark zu einer nachhaltigen Transformation der Burglandschaft führte: Zahlreiche Befestigungen wurden zerstört, verfielen oder verloren ihre militärische Funktion, was tiefgreifende Auswirkungen auf die regionalen Machtverhältnisse und Siedlungsstrukturen hatte. Angerns Zerstörung durch das Holksche Regiment fügt sich in diesen Kontext ein und unterstreicht die Verwundbarkeit kleinerer Herrschaftszentren während eines der verheerendsten Konflikte der europäischen Geschichte.

Bedeutung von Marktrechten im frühneuzeitlichen Kontext

Die Gewalt traf nicht nur die befestigte Anlage, sondern auch das wirtschaftliche Zentrum Angerns. Im Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 444, findet sich der Vermerk:

„Angern hat vordem auch Jahr- und Wochenmarkt gehalten, und ist durch den Brand so ruinieret, daß solches rückständig geblieben und eingegangen.“

Diese Aussage verdeutlicht, dass Angern einst als wirtschaftliches Zentrum mit regelmäßig stattfindenden Jahr- und Wochenmärkten fungierte, die für Handel, Versorgung und gesellschaftliche Kommunikation in der Region von großer Bedeutung waren. Solche Märkte waren im frühneuzeitlichen Europa zentrale Orte des Waren- und Informationsaustauschs, oft mit Marktrecht verliehen, das den jeweiligen Orten wirtschaftlichen Aufschwung sicherte.

Der erwähnte Brand, der zum Niedergang der Jahr- und Wochenmärkte in Angern führte, ist als direkte Folge der kriegerischen Zerstörungen im Jahr 1631 durch das Holk’sche Regiment zu verstehen. Er führte zu einer nachhaltigen Zerstörung der dörflichen Infrastruktur und beeinträchtigte die Funktion Angerns als Marktplatz erheblich. Die Folge war ein dauerhafter Rückgang der Markttätigkeiten und damit eine Schwächung der ökonomischen und sozialen Strukturen des Ortes.

Dieser Befund steht beispielhaft für viele Kleinstädte und Dörfer im norddeutschen Raum, die im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges und anderer Konflikte massive Schäden erlitten. Die Einstellung oder der Niedergang von Märkten bedeutete nicht nur wirtschaftliche Einbußen, sondern auch den Verlust sozialer Verbindungen und regionaler Bedeutung.

Die Quelle aus dem Gutsarchiv Angern liefert damit einen wichtigen Einblick in die nachhaltigen Folgen von Krieg und Zerstörung auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung kleinerer Städte im 17. und 18. Jahrhundert und unterstreicht die Verwundbarkeit solcher Zentren gegenüber Katastrophen.

Marktrechte waren im Mittelalter und der Frühen Neuzeit ein bedeutendes Privileg, das einzelnen Städten oder Dörfern von Landesherren verliehen wurde. Diese Rechte erlaubten das Abhalten von Wochen- oder Jahrmärkten, die als wichtige wirtschaftliche und soziale Treffpunkte fungierten. Märkte förderten nicht nur den regionalen Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Waren, sondern auch die Vernetzung von Menschen und den kulturellen Austausch. Das Fehlen oder der Verlust von Marktrechten, wie im Fall von Angern infolge des verheerenden Brandes, bedeutete häufig einen erheblichen wirtschaftlichen Rückschlag. Ohne die regelmäßigen Märkte verlor ein Ort an Bedeutung, was negative Auswirkungen auf seine Entwicklung und das Wohlstandsniveau der Bevölkerung hatte.

Vergleiche mit benachbarten Orten verdeutlichen, dass Marktrechte in der frühen Neuzeit ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität von Orten waren:

  • Burgstall: Burgstall, ein nahegelegenes Dorf, erhielt im 16. Jahrhundert Marktrechte, die seine regionale Rolle als Handelszentrum stärkten. Trotz ähnlicher kriegerischer Belastungen konnte Burgstall durch die kontinuierliche Ausübung seiner Marktrechte wirtschaftliche Stabilität bewahren.
  • Tangermünde: Die Stadt Tangermünde besaß seit dem Mittelalter umfangreiche Marktrechte, die ihr halfen, als regionales Handelszentrum zu prosperieren. Selbst nach Kriegsschäden konnte Tangermünde durch die Wiederbelebung seiner Märkte schnell wirtschaftlich wiederaufbauen.
  • Gardelegen: Auch Gardelegen, eine bedeutende Stadt in der Altmark, profitierte von Jahr- und Wochenmärkten, die über Jahrhunderte Bestand hatten und wesentlich zur urbanen Entwicklung beitrugen.

Quelle

Die vorliegende Darstellung stützt sich auf eine Transkription durch die Angerner Dorfchronistin Brigitte Kofahl, deren Arbeiten eine wichtige Grundlage für die Erschließung des Gutsarchivs bilden.

  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 79: Bericht zur Zustandserfassung der Nebengebäude nach dem Brand (Dorfchronik Angern).
  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 76: Inventar und bauliche Beschreibung des Palas und der Ringmauer (1752).
  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 444: Beschreibung des Bergfrieds, Funde von Kriegsmaterial und toten Körpern sowie Hinweis auf den Turmabriss 1735.
  • Gutsarchiv Angern Rep. H 417
  • Gutsarchiv Angern, Rep. H 13, Nr. 38: Kirchenvisitation 1650 im Haus Heinrich von der Schulenburg
  • Kofahl, Brigitte: Dorfchronik Angern
  • Brülls/Könemann (2001): Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt, Bd. 10.2
  • Press, V. (1991): Der Dreißigjährige Krieg
  • Zeune, J. (1994): Burgtypen in Mitteleuropa
  • Menzel, R. (2017): Burgen und Festungen der Frühen Neuzeit
  • Lutz, Dieter: Heinrich von Holk – Generalwachtmeister im Dreißigjährigen Krieg, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 25 (1969).
  • Parker, Geoffrey: Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt am Main 1987.
  • Wollesen, Jens: Die Reiterei im Dreißigjährigen Krieg, München 2001.
  • Dehio, Georg (2002): Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I: Regierungsbezirk Magdeburg. München/Berlin.
  • Grimm, Paul (1958): Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg. Berlin.

Hier ist die überarbeitete und erweiterte Version des Essays, in die nun auch die drei konkret benannten Quellenzitate aus der Dorfchronik Angern und dem Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 444 integriert sind – jeweils mit kurzer Einordnung im Text:

 


 

 

Die Zerstörung der Burg Angern im Dreißigjährigen Krieg – Ursachen, Verlauf und Folgen

Einleitung

Die Burg Angern, eine hochmittelalterliche Wasserburg in der Altmark, wurde im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges ein Opfer systematischer Gewalt. Im Jahr 1631, kurz nach der Verwüstung Magdeburgs, wurde sie durch Truppen unter dem Kommando Heinrich von Holks zerstört. Der folgende Text untersucht auf Basis der Dorfchronik Angern und der Bestände des Gutsarchivs Angern (Rep. H) die Umstände dieser Zerstörung und ihre langfristigen Folgen

Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg

Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.

Magdeburg 1631 und der Zug Holkscher Truppen

Am 20. Mai 1631 wurde Magdeburg nach Belagerung durch Truppen der katholischen Liga eingenommen und fast vollständig zerstört. Danach drangen die Truppen Heinrichs von Holk, eines gefürchteten Obristen im Dienst der Liga, weiter in die Altmark vor. Nach einem Bericht aus der Dorfchronik Angern wurden in der Folge auch das Dorf Angern und seine Burganlage zerstört:

„Bei dem anschließenden Brand des Dorfes kam auch die Burg zu Schaden. Nach einem alten Bericht blieben nur die beschädigte Brauerei, ein Viehstall ohne Dach und das ebenfalls beschädigte Pforthäuschen stehen.“ (Dorfchronik Angern)

Laut Überlieferung hatten zuvor kaiserliche Truppen die Burg als Vorposten genutzt, bevor sie in einem nächtlichen Überfall durch Holks Regiment – eine teils schwedisch, teils deutsch rekrutierte Reitereinheit – angegriffen und in Brand gesetzt wurde. Die Zerstörung war dabei offenbar nicht auf Artilleriebeschuss zurückzuführen, sondern auf einen großflächigen Brand, bei dem Dächer einstürzten, hölzerne Aufbauten verloren gingen und das Mauerwerk durch Hitze geschädigt wurde.

Verluste an Bausubstanz und Funktion

Nicht nur die Burg, sondern auch die dörfliche Infrastruktur wurde schwer geschädigt. Der wirtschaftliche Schaden war enorm. Ein Eintrag im Gutsarchiv Angern (Rep. H Nr. 444) berichtet:

„Angern hat vordem auch Jahr- und Wochenmarkt gehalten, und ist durch den Brand so ruinieret, daß solches rückständig geblieben und eingegangen.” (Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 444)

Diese Quelle dokumentiert den Verlust der zentralen Marktprivilegien, was den wirtschaftlichen Niedergang Angerns nach der Katastrophe deutlich macht. Neben der baulichen Zerstörung wirkte sich die Vernichtung der wirtschaftlichen Infrastruktur – etwa Märkte, Handwerksbetriebe und Vorräte – langfristig auf die soziale Stabilität aus. Ein weiterer Bericht desselben Archivs gibt sogar Hinweise auf Kampfhandlungen auf dem Burggelände selbst:

„Es war vordem ein großer Turm von 8 Etagen, wo in dem 30jährigen Krieg sich viele fremde Örter hin salviret und wo anjetzi der Lustgarten, ist vordem ein Bruch gewesen, worinnen man wie auch im Hofe viele tote Körper gefunden, auch Kugeln und Kriegs-Arematouren, welches eine Kundschaft anzeiget, daß es zu Bataille und blutigem Gefecht gekommen sei.” (Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 444)

Die Beschreibung lässt auf ein kurzes, aber heftiges Gefecht oder eine gewaltsame Einnahme der Anlage schließen, bei dem sich Flüchtlinge in den Turm retten wollten. Die Funde von Toten, Munition und Rüstungsresten bestätigen archäologisch relevante Spuren unmittelbarer Kampfhandlungen auf dem Gelände.

4. Wiederaufbau und Nachwirkungen

Nach der Zerstörung im Jahr 1631 folgten Jahre des Verfalls und des sporadischen Wiederaufbaus. Henning III. von der Schulenburg, der letzte Besitzer vor der Katastrophe, starb 1637. Der Wiederaufbau der Gutsstruktur wurde von seinem überlebenden Sohn Heinrich XI. getragen. Der alte große Wehrturm, von dem in den Quellen die Rede ist, wurde nicht mehr aufgebaut. Die Hauptburg wurde offenbar nicht rekonstruiert, sondern es entstanden in späteren Jahrzehnten neue barocke Flügelbauten auf veränderter Grundstruktur. Die mittelalterliche Kernburg war damit funktionslos geworden.

Die heute noch erhaltenen Tonnengewölbe, insbesondere unter dem Ostflügel und auf der Turminsel, zeigen, dass zumindest Teile der unterirdischen Struktur der mittelalterlichen Anlage überdauerten. Die mittelalterliche Ringmauer blieb in Teilen erhalten, wurde jedoch an vielen Stellen durch spätere Wirtschaftsgebäude überbaut oder durch Materialentnahme dezimiert.

5. Bewertung im historischen Kontext

Die Zerstörung der Burg Angern reiht sich ein in ein größeres Muster von Gewalthandlungen, wie sie nach der Einnahme Magdeburgs 1631 in zahlreichen Dörfern der Altmark dokumentiert sind. Holks Regiment war berüchtigt für systematische Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung, und der Fall Angerns belegt exemplarisch die strukturelle Hilflosigkeit kleiner Adelsgüter in dieser Phase. Der Wiederaufbau wurde nicht zentralstaatlich organisiert, sondern der individuellen Leistung und Finanzkraft der überlebenden Gutsherren überlassen.

Fazit

Die Zerstörung der Burg Angern 1631 durch das Holksche Regiment war ein kriegsbedingter Strukturbruch. Der Verlust an Bausubstanz, Marktprivilegien und Bevölkerung wirkte weit über die Kriegszeit hinaus. Quellen wie die Dorfchronik Angern und das Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 444 belegen die verheerenden materiellen und sozialen Folgen dieser Gewalttat. Der Wiederaufbau unter veränderten Vorzeichen markiert den Beginn einer neuen Phase adliger Landesherrschaft, deren Schwerpunkt nicht mehr auf militärischer Befestigung, sondern auf wirtschaftlicher Reorganisation lag.

Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg sowie einflussreiche Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitzrechte, Lehnsbindungen und lokale Machtstellungen. In diesem territorial instabilen Raum stellte die Gründung der Burg Angern eine gezielte Maßnahme der Erzdiözese Magdeburg dar, um ihren Einfluss militärisch abzusichern und administrativ zu konsolidieren. Die Errichtung einer Wasserburg mit deutlich ausgeprägter Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz vor Ort und fungierte zugleich als sichtbares Machtsymbol gegenüber konkurrierenden Adelsinteressen. Hauptburg Angern Palas, Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1340 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik.
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern zählt zu den wenigen in der norddeutschen Tiefebene erhaltenen Wasserburgen, deren bauliche Struktur, archäologische Substanz und archivalische Überlieferung gleichermaßen außergewöhnlich gut erhalten sind. Obwohl die Errichtung um 1340 chronologisch an der Schwelle zum Spätmittelalter liegt, entspricht die Anlage in ihrer Konzeption, Gliederung und Funktionalität eindeutig dem hochmittelalterlichen Burgentypus. Die Burg vereint in exemplarischer Weise militärische, ökonomische und administrative Funktionen innerhalb eines klar strukturierten und funktional differenzierten Inselburgsystems. Ihre topografische Disposition – bestehend aus zwei künstlich aufgeschütteten Inseln, vollständig umgeben von einem mehrfach gegliederten Grabensystem – dokumentiert eindrucksvoll die strategischen und ingenieurtechnischen Prinzipien des Burgenbaus im mittleren 14. Jahrhundert. Burganlage in Angern mit Vorburg, Hauptburg mit Wehrgängen (orange) und Brücken sowie der Turminsel
Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350. Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)
Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg. Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.
Dieses Essay unternimmt den Versuch, die Lebenswirklichkeit im Dorf Angern um das Jahr 1340 nachzuzeichnen – basierend auf überlieferten Urkunden, Inventaren, Dorfordnungen und vergleichenden Regionalanalysen. Es beleuchtet die sozialen Strukturen , das wirtschaftliche Leben , den Alltag der Bevölkerung , und stellt Angern in den Kontext vergleichbarer Dörfer mit ähnlicher Herrschafts- und Wirtschaftsform. Trotz der lückenhaften Quellenlage aus dem 14. Jahrhundert erlauben spätere Ordnungen und bauliche Spuren einen aufschlussreichen Rückblick auf eine Epoche, in der feudale Macht, religiöse Ordnung und agrarische Selbstversorgung das Leben der Menschen bestimmten. Alte Dorfstrasse von Angern im Mittelalter
Die Errichtung der Burg Angern um 1340 – Architektur, Handwerk und Kontext. Die Burg Angern entstand um das Jahr 1340 im Auftrag des Erzbischofs Otto von Magdeburg. Diese Befestigungsanlage war Teil einer territorialpolitischen Sicherungsstrategie des Erzstifts in der südlichen Altmark, nachdem 1336 ein Ausgleich mit dem Markgrafen von Brandenburg erreicht worden war. Die Anlage, gelegen an einer bedeutenden Handelsroute, zählt zu den Wasserburgen des Niederungstyps und zeigt exemplarisch, wie sich Wehrhaftigkeit, Verwaltung und Repräsentation im 14. Jahrhundert architektonisch verbanden.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.