Bauzeitliche Einordnung und architekturhistorische Bewertung der Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern. Die im Erdgeschoss des Palas erhaltenen Tonnengewölbe lassen sich auf Basis ihrer Bauweise, Materialität und handwerklichen Ausführung mit hoher Wahrscheinlichkeit in die erste Bauphase der mittelalterlichen Burg Angern datieren. Diese fällt in die Zeit um 1340 und ist durch archivalische Quellen belegt (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H, Nr. 412). Beide Gewölbe – ein nördlicher und ein südlicher Raum – sind als gedrückte Tonnenwölbungen in regelmäßiger Ziegeltechnik ausgeführt. Die Ziegel wurden in flachen Lagen längs zur Tonnenachse verlegt, ohne Rippen- oder Gurtgliederung. Die Wölbtechnik folgt einer funktionalen Statik, wie sie im hochmittelalterlichen Burgenbau der Altmark für Lager- und Wirtschaftsräume üblich war. Charakteristisch sind die flach ansetzenden Wölbansätze und das Fehlen von Kämpferprofilen oder Gliederungselementen. Die formale Schlichtheit verweist auf eine Nutzung als Vorrats- oder Wirtschaftsraum. Vergleichbare Ausführungen finden sich u. a. in Ziesar, Beetzendorf und Kalbe (Milde), wodurch die Einordnung in die hochmittelalterliche Erstbauphase zusätzlich gestützt wird.
Maße und Geometrie: Beide Tonnengewölbe besitzen eine Länge von ca. 7,20 m, eine Breite von 4,50 m und eine lichte Innenhöhe von aktuell 2,27 m. Aufgrund der nachweisbaren Aufschüttungen und der Bodenüberdeckung ist von einer ursprünglich deutlich höheren lichten Gewölbehöhe auszugehen, vermutlich um 2,70–2,90 m. Die gedrückte Form der Wölbung ergibt sich aus dem relativ flachen Ansatz der Gewölberippen unmittelbar über dem Maueransatz und der nahezu horizontalen Verlaufsgeometrie in den ersten Radien der Gewölbeanläufe. Der horizontale Scheitelbereich wird ohne Scheitelverstärkung ausgeführt. Diese Konstruktionstechnik spricht für eine einheitliche, zeitlich und technisch geschlossene Errichtung.
Zwischenwand aus opus mixtum: Die massive Trennwand zwischen den beiden Gewölben besteht aus einer gleichmäßig vermauerten Kombination von Bruch- und Ziegelstein (opus mixtum) mit identischer Mörtelstruktur wie die angrenzenden Gewöbe. Sie zeigt keine Baufugen, Setzungen oder Materialwechsel, sondern eine durchgehende Einheitlichkeit im Fugenbild und Steinformat. Ihre Funktion als gemeinsames Widerlager spricht für eine gleichzeitige Errichtung im Zuge einer einheitlichen Bauphase. Der statische Verbund und die konsistente Ausführung verweisen auf eine bewusste funktionale Gliederung beider Räume in der bauzeitlichen Konzeption.
Wand zwischen nördlichem und südlichem Tonnengewölbe mit opus mixum
Materialität und Mauerwerk: Die Wandbereiche bestehen aus einem Mischverband aus unregelmäßigem Bruch- und Feldstein mit lokal gefertigten Handstrichziegeln. Der verwendete Kalkmörtel zeigt grobkörnige Zuschläge und mineralogische Merkmale, die auf eine dezentrale Herstellung mit lokalem Rohmaterial hinweisen. Die Gewölbe selbst sind vollständig in Ziegeltechnik ausgeführt, wobei das Maßgefüge der Ziegel zwischen 27–29 cm Länge, 13–14 cm Breite und 6–7 cm Höhe liegt – Maße, die mit dem sogenannten Klosterformat übereinstimmen und im regionalen Burgenbau des 14. Jahrhunderts verbreitet waren.
Die Übergänge zwischen Gewölbe und aufgehender Wand sind glatt ausgebildet, ohne Kämpferzone oder Auflagerprofil. Die Ziegel der Wölbung sind dicht gefugt und zeigen keine Hinweise auf Versatz, Nachbearbeitung oder nachträgliche Öffnung. Im Mauerwerk sind keine Spolien, Baufugen oder Fremdmaterialien nachweisbar. Die Putzreste an Wand- und Deckenflächen sind fragmentarisch erhalten und weisen typische Alterungsphänomene wie Salzausblühungen und Abrieb auf. Diese belegen eine kontinuierliche Nutzung unter gleichzeitiger Erhaltung der Primärsubstanz.
Materialkontrast zwischen Wand und Gewölbe: Der augenfällige Materialwechsel zwischen dem unteren Bruchsteinmauerwerk der aufgehenden Wände und dem darüberliegenden Tonnengewölbe aus Ziegeln stellt kein Indiz für eine nachträgliche Überformung dar, sondern reflektiert ein im hochmittelalterlichen Burgenbau weit verbreitetes Konstruktionsprinzip. Tragende Sockelzonen sowie Außenwände wurden aus ökonomischen und versorgungstechnischen Gründen bevorzugt mit lokal verfügbarem Feld- und Bruchstein errichtet. Für die statisch besonders beanspruchten Gewölbebereiche hingegen fanden vorgefertigte, gebrannte Ziegel Verwendung, die aufgrund ihrer Maßhaltigkeit und Wölbbarkeit eine gleichmäßige Formgebung und höhere strukturelle Sicherheit ermöglichten. In der südlichen Gewölbezone des Palas der Burg Angern ist diese Bauweise in besonders klarer Form erhalten. Der Übergang zwischen Wand und Wölbung ist deutlich abgesetzt, jedoch nicht durch eine bauliche Trennfuge unterbrochen. Sowohl der durchgehende Fugenverlauf als auch die homogene Mörtelstruktur und die formale Kontinuität des Mauerwerks belegen eine gleichzeitige Errichtung beider Bauteile im Zuge einer einheitlichen Bauphase.
südliches Tonnengewölbe des Palas mit Materialwechsel zwischen Wand und Gewölbe
Gewölbeansatz: Die Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern setzen flach auf die aufgehenden Mauerwerkszonen auf, ohne Ausbildung eines Kämpfers oder einer zusätzlichen Gliederungsschicht. Der Übergang zwischen Wand und Gewölbe erfolgt unmittelbar und ist durch eine durchgehende Ziegellagerung in Längsrichtung zur Tonnenachse gekennzeichnet. Es liegen keine Entlastungsbögen, Putzfaschen oder Setzfugen vor, die auf eine spätere Einwölbung hinweisen würden. Der gleichmäßige Mörtelverlauf und die formale Kontinuität von Wand und Gewölbe bestätigen die simultane Ausführung beider Bauteile. Die gedrückte Wölbform mit asymmetrisch flach ansteigendem Ansatz entspricht typologischen Merkmalen hochmittelalterlicher Kellergewölbe des 14. Jahrhunderts im mitteldeutschen Raum. Vergleichbare Gewölbeansätze ohne konstruktive Trennung sind u. a. in Beetzendorf, Ziesar und Kalbe (Milde) dokumentiert.
Vergleichbare Konstruktionen finden sich u. a. in der Burg Lenzen und in der südlichen Kellerzone der Burg Ziesar, wo ebenfalls Bruchsteinwände mit aufgesetzten Ziegelgewölben kombiniert wurden. Diese Anlagen werden auf das späte 13. bis frühe 14. Jahrhundert datiert und stützen die Einordnung des Angerner Befundes in dieselbe Zeitstellung. Die bauhandwerklich präzise Verbindung beider Materialien ohne erkennbare Setzungen, Materialwechsel oder sekundäre Maueranpassungen unterstreicht die bauzeitliche Entstehung des südlichen Tonnengewölbes im Rahmen der Ersterrichtung des Palas um 1340. Der Befund bestätigt die konsequente Umsetzung eines funktional-differenzierten Baukonzepts im Kontext hochmittelalterlicher Wasserburgen der Altmark.
Fazit: Die Gewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern sind als bauzeitlich um 1340 zu datieren. Ihre Ausführung entspricht typologisch und materiell dem hochmittelalterlichen Profanbau der Altmark und angrenzender Regionen. Die Kombination aus gedrückter Gewölbeform, asymmetrischer Fensteranordnung, opus mixtum-Wänden und schlichten konstruktiven Lösungen unterstreicht den funktionalen Charakter der Anlage. Der Erhaltungszustand der Gewölbe ist außergewöhnlich und erlaubt eine differenzierte bauhistorische Analyse, die ohne Hinweise auf nachmittelalterliche Überformungen oder substanzverändernde Eingriffe auskommt. Die Gewölberäume sind somit ein bedeutender und weitgehend authentisch überlieferter Bestandteil hochmittelalterlicher Architektur im norddeutschen Raum.
Fensteröffnungen im Palas
Im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern sind zwei bauzeitliche Fensteröffnungen in der östlichen Außenwand erhalten, die typologisch hochmittelalterlichen Kellerfenstern zuzuordnen sind. Beide Fenster wurden um 1340 im Zuge der ursprünglichen Bauphase angelegt. Sie sind kleinformatig (ca. 40 × 40 cm), asymmetrisch in der unteren Wandzone positioniert und mit segmentbogigen Ziegellaibungen ausgestattet, die homogen in das Bruchsteinmauerwerk eingebunden sind. Das südliche Fenster ist vollständig original erhalten und zeigt korrosive Reste eines historischen Sicherungselements, vermutlich eines Gitters. Das nördliche Fenster ist in Form und Lage analog, weist jedoch eine partielle spätere Ausbesserung auf: Ein Ziegel mit der Prägung „Kehnert“ belegt einen Eingriff im 19. Jahrhundert. Trotz dieser Reparatur bleibt die bauzeitliche Grundstruktur auch hier erkennbar. Der Befund stützt die Einordnung der gesamten Gewölbeanlage in die Bauzeit um 1340 und dokumentiert die funktionale Ausdifferenzierung von Licht- und Belüftungselementen im mittelalterlichen Wirtschaftstrakt der Hauptburg. Vergleichbare Strukturen finden sich in Ziesar, Kalbe und Lenzen.
Umkehrgang
Im westlichen Erdgeschoss des Palas der Burg Angern ist ein gewölbter 180°-Umkehrgang erhalten, der zwei parallel verlaufende Tonnengewölberäume auf gleichem Niveau miteinander verbindet. Der Zugang erfolgt über eine schmale Passage, die unmittelbar nach dem Eintreten einen Richtungswechsel vollzieht. Die Gangführung ist durchgehend tonnengewölbt und verläuft in unmittelbarer Nähe zur westlichen Außenmauer des Palas. Die lichte Breite des Durchgangs beträgt etwa 1,50 m.
Gewölbe des nördlichen Palas Erdgeschosses mit Eingang zum Umkehrgang
Die genaue bauliche Einbindung des Gangs in die westliche Außenmauer sowie die verbleibende Wandstärke zwischen Gang und Außenfläche sind derzeit noch nicht abschließend geklärt und bedürfen weiterer bauarchäologischer Untersuchung. Das aufgehende Mauerwerk besteht aus unregelmäßigem Bruchstein in lagerhafter Schichtung mit kalkhaltigem Bindemittel. Hinweise auf einen ursprünglichen Innenputz sind im unteren Bereich bislang nicht nachweisbar.
Die östliche Außenwand des Palas
Die östliche Außenwand des Palas ist in einer klar differenzierten Zweischalentechnik ausgeführt, die für den hochmittelalterlichen Burgenbau in der Altmark charakteristisch ist. Die innere Schale besteht aus Ziegelmauerwerk, das statisch tragende Funktionen übernimmt und zugleich die Einwölbung der angrenzenden Gewölberäume ermöglicht. Die äußere Schale besteht aus unregelmäßigem Bruchsteinmauerwerk, vermutlich aus lokal gewonnenem Feldstein, das sowohl witterungstechnischen als auch repräsentativen Zwecken diente. Die gesamte Wand weist eine Stärke von ca. 90 cm auf und zeigt keine Hinweise auf sekundäre Einfügungen, Umfassungen oder spätere Bauteilwechsel. Die homogenen Fugenverläufe und die gleichmäßige Mörtelstruktur stützen die Annahme einer einheitlichen Errichtung im Rahmen der Palasbauphase um 1340.
Erhaltungszustand und architekturhistorische Bedeutung
Die Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern zählen zu den wenigen nachweislich bauzeitlich erhaltenen Kelleranlagen des 14. Jahrhunderts in der Altmark. Ihre Authentizität und bauliche Kontinuität sind sowohl durch die archivalische Überlieferung als auch durch die bautechnischen Befunde klar belegt. Ein zentrales Indiz für die fortgesetzte Existenz der Gewölbe nach der Zerstörung der Burg im Jahr 1631 liefert die Dorfchronik von 1650, in der ausdrücklich „die vier Keller und der alte Turm“ genannt werden. Diese Quelle bestätigt, dass die Gewölbe die Brandkatastrophe nicht nur überstanden, sondern offenbar auch weiter genutzt oder zumindest als erhaltener Baubestand wahrgenommen wurden. Bauanalytisch zeigen die Gewölbe eine durchgehende Materialhomogenität: Es finden sich keine Spolien, keine Trennfugen, keine Setzungen, keine Unterschiede in Ziegelformat, Lagerung oder Mörtelgefüge. Auch Anzeichen sekundärer Überformungen, wie sie etwa bei barocken Einwölbungen üblich wären – z. B. durch andere Gewölbeformen, profiliertes Ziegelwerk oder Putzfaschen –, fehlen vollständig. Die Gewölbe lassen sich somit zweifelsfrei der Erstbauphase um 1340 zuordnen.
Die Burg Angern stellt damit ein architekturhistorisch herausragendes Beispiel hochmittelalterlicher Kellerarchitektur dar. Besonders im Vergleich mit anderen Burgen der Altmark – etwa Beetzendorf, Kalbe/Milde oder Lenzen – überzeugt sie durch ihren unverfälschten Erhaltungszustand, die klare funktionale Gliederung sowie die archivalisch belegte bauzeitliche Substanz. In dieser Form dokumentieren die erhaltenen Gewölbe einen für Norddeutschland seltenen Grad an baulicher Authentizität und bieten eine wertvolle Referenz für die Erforschung der spätmittelalterlichen Wirtschaftsarchitektur im ländlichen Herrschaftskontext.
Vergleichende Bewertung: Im regionalen Vergleich mit den Anlagen in Beetzendorf, Kalbe (Milde), Lenzen und Ziesar stellt die Gewölbestruktur des Palas der Burg Angern ein selten überliefertes Beispiel funktional differenzierter Kellerarchitektur des 14. Jahrhunderts dar. Während in den genannten Vergleichsanlagen vielfach spätere Überformungen, Umbauten oder nur fragmentarische Befunde überliefert sind, überzeugt Angern durch einen außergewöhnlichen Erhaltungszustand, materialtechnische Homogenität und bauliche Geschlossenheit. Die Kombination aus Ziegelgewölben ohne Gliederung, einem funktional begründeten Mischmauerwerk, asymmetrischer Fensteranordnung, bauzeitlichem Wandpodest und der original erhaltenen Raumstruktur dokumentiert eine klar strukturierte, auf Wirtschaftlichkeit und Nutzung ausgerichtete Bauweise, wie sie in der hochmittelalterlichen Burgenarchitektur der Altmark nur vereinzelt belegt ist. Insbesondere im direkten Vergleich mit Ziesar – wo die Gewölbe teilweise stärker repräsentativ überformt wurden – oder Kalbe (Milde), dessen Substanz kompakter und weniger differenziert gegliedert ist, nimmt Angern eine Schlüsselstellung ein. Der Verzicht auf repräsentative Elemente, die bauliche Integrität der gesamten Gewölbeeinheit und ihre nachweisliche Erstverwendung im Zusammenhang mit dem Palasbau um 1340 machen sie zu einem zentralen Befund für die Erforschung der regionaltypischen Burgbaupraxis des Hochmittelalters im norddeutschen Raum.
Ziegelverwendung im Palas der Burg Angern – bauzeitliche Einordnung
Die Ausführung der beiden Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern mit kleinformatigen, flach vermauerten Ziegeln entspricht eindeutig der hochmittelalterlichen Baupraxis im nordostdeutschen Raum des 14. Jahrhunderts. Die Ziegel sind regelmäßig im Läuferverband entlang der Tonnenachse gesetzt, wobei auf Rippen, Gurtbögen oder Kämpferprofile vollständig verzichtet wurde. Diese reduzierte, statisch funktionale Wölbtechnik verweist auf eine zweckorientierte Nutzung als Vorrats- oder Wirtschaftsräume und steht im Einklang mit vergleichbaren Befunden regionaler Wasserburgen.
Die verwendeten Ziegel sind handgeformt, unglasiert und zeigen geringe Maßabweichungen bei durchschnittlichen Formaten von ca. 27 × 13 × 7 cm. Charakteristisch sind ihre unregelmäßigen Kanten, einzelne Schalenbildungen sowie ein schwacher, hellrot bis orangefarbener Brandton – typische Merkmale nichtindustrieller Fertigung im Feldbrandverfahren des 13. und 14. Jahrhunderts. Der verwendete Fugmörtel ist grobkörnig, kalkgebunden und enthält sichtbare Zuschläge aus lokalem Sand und Ziegelsplitt, was auf eine dezentrale Mörtelherstellung vor Ort hinweist.
Die gezielte Verwendung von Ziegelmaterial beschränkt sich auf statisch anspruchsvolle Bereiche wie Gewölbekörper, Laibungen und Treppenanschlüsse. Die aufgehenden Wandpartien bestehen hingegen aus einem heterogenen Verband aus Feld- und Bruchsteinen. Diese Kombination entspricht einem im hochmittelalterlichen Burgenbau der Altmark weit verbreiteten Prinzip: Während ökonomisch verfügbare Steine für Außen- und Fundamentbereiche genutzt wurden, kamen für präzise statische Formen wie Gewölbe Ziegel zum Einsatz, da diese durch gleichmäßige Maße und gute Wölbbarkeit eine erhöhte bauliche Sicherheit gewährleisteten.
Typologisch vergleichbare Ziegelausführungen finden sich unter anderem in der Burg Kalbe (Milde), deren Kellergewölbe auf etwa 1320–1350 datiert sind (vgl. Grimm 1958, S. 360), sowie in der Burg Ziesar, wo das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege Tonnengewölbe mit ähnlichem Materialeinsatz in die Zeit um 1300 einordnet. Weitere Parallelen bestehen zur Burg Beetzendorf (um 1340) und zur Burg Lenzen (ca. 1350), die ebenfalls homogen gemauerte Tonnengewölbe aus kleinteiligem Ziegelmaterial aufweisen. In all diesen Fällen handelt es sich um originale Bausubstanz der jeweiligen Erstbauphasen, nicht um nachträgliche barocke Überformungen.
Die bauliche Evidenz im Palas von Angern – einschließlich Material, Technik, Verbundstruktur und Mörtelanalyse – spricht mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Errichtung der Gewölbe im Zuge der Erstbauphase der Burg um 1340. Der Ziegelverband ist statisch funktional, konstruktiv schlüssig und steht im architekturhistorischen Zusammenhang mit einem regionaltypischen Baukonzept hochmittelalterlicher Wasserburgen Nordostdeutschlands. Eine spätere Einwölbung, etwa nach dem Brand von 1631, ist aufgrund fehlender baulicher Trennfugen, homogener Materialität und der archivalischen Belege eindeutig auszuschließen (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H, Nr. 412).
Die Ziegelverwendung im Palas von Angern stellt somit kein Indiz barocker Bautätigkeit dar, sondern ist als authentisches Element der mittelalterlichen Bauausführung zu werten – funktional, wirtschaftlich und technologisch im Einklang mit dem Standard hochmittelalterlicher Profanarchitektur der Altmark.
Nordost-Ecke des nördlichen Gewölberaums im Palas der Burg Angern
Die nordöstliche Ecke des nördlichen Kellerraums im Erdgeschoss des Palas dokumentiert exemplarisch die bauzeitliche Ausführung der Gewölbe- und Wandstrukturen. Das gedrückte Tonnengewölbe ist aus kleinformatigen, handgeformten Ziegeln im längsgerichteten Läuferverband gefertigt und schließt unmittelbar an das aufgehende Mischmauerwerk der Umfassungswände an. Der flach auslaufende Gewölbeansatz ohne Kämpferprofil, Rippen oder Gliederungselemente verweist auf eine funktional-statische Bauweise, wie sie für Kellergewölbe des 14. Jahrhunderts in der Altmark charakteristisch ist.
Die angrenzende Nordwand besteht aus einem unregelmäßigen Verbund von Bruch- und Backsteinen mit variierender Steingröße und unterschiedlichen Fugenverläufen. Trotz vereinzelter Unsauberkeiten zeigt der Mauerverband keine Hinweise auf sekundäre Aufmauerungen oder nachträglich eingebrachte Schalen. Die durchgängige Mörtelstruktur, das Fehlen von Versatzfugen und die Gleichmäßigkeit der Steinformate lassen vielmehr auf eine gleichzeitige Errichtung von Wand und Gewölbe schließen.
Nördliches Tonnengewölbe des Palas mit Anschluss an die westliche Außenwand
Im unteren Mauerabschnitt befinden sich mehrere größere Feldsteine, die als Fundament- oder Sockelsteine interpretiert werden können. Ihre Position und Integration in das aufgehende Mauerwerk sprechen ebenfalls gegen eine spätere Einfügung. Auch die erhaltenen Putzreste an der Ostwand belegen durch Alterungsspuren wie Salzausblühungen und Abrieb eine langjährige Nutzung unter konstanten klimatischen Bedingungen – typisch für unterirdische Wirtschaftsräume des Mittelalters.
Der Gesamtbefund der nordöstlichen Ecke unterstützt damit eindeutig die Einordnung als bauzeitliche Primärstruktur im Kontext der Erstbauphase der Burg Angern um 1340. Weder architekturhistorisch noch bautechnisch sind Anzeichen für nachträgliche Einwölbung oder barocke Überformung festzustellen. Die Materialverwendung, das Mauerwerkgefüge und die Formgebung stehen im Einklang mit vergleichbaren Gewölbeanlagen der Burgen Kalbe (Milde), Beetzendorf und Ziesar (vgl. Grimm 1958, S. 360; Wäscher 1962, Bd. 1, S. 37 f.) und verdeutlichen die Zugehörigkeit der Burg Angern zu einer regionaltypischen Bauweise des hochmittelalterlichen Profanbaus in der Altmark.
Asymmetrische Fensteranordnung in den Tonnengewölben des Palas
Ein auffälliges, jedoch konstruktiv sinnvolles Merkmal der beiden erhaltenen Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern ist die seitlich versetzte Anordnung der Fensteröffnungen. Während das Fenster im südlichen Gewölberaum zur linken, das im nördlichen Raum zur rechten Gewölbezone positioniert ist, weichen beide deutlich von der Längsachse des jeweiligen Tonnengewölbes ab. Diese Asymmetrie ist kein Indiz für spätere Veränderungen, sondern entspricht einem bauzeitlich intendierten Funktionsprinzip, wie es in vergleichbaren hochmittelalterlichen Burgen der Altmark und angrenzender Regionen vielfach belegt ist. Die gewählte Position der Fenster außerhalb des Scheitelbereichs folgt statischen Erwägungen: Der Gewölbescheitel ist als Zone maximaler Schub- und Druckbeanspruchung ungeeignet für Öffnungen. Fenster in diesen Bereichen hätten die Stabilität der Wölbung beeinträchtigt und wären nur mit zusätzlichen Verstärkungen oder Entlastungsbögen realisierbar gewesen. Die seitliche Platzierung erlaubt es dagegen, Licht in den Raum einzuleiten, ohne die Tragfähigkeit der Konstruktion zu gefährden. Zugleich lässt die Fensterstellung praktische Rückschlüsse auf die Nutzung zu: In Vorrats- oder Wirtschaftsräumen diente ein Fenster primär der Beleuchtung und Belüftung, nicht der Aussicht. Eine seitliche Lage verbessert den Zugang zur Öffnung, erlaubt gezielte Lichtführung und war aus verteidigungstechnischer Sicht leichter zu sichern.
Vergleichbare Fensteranordnungen sind belegt in den Kellerzonen der Burgen Ziesar, Beetzendorf und Kalbe (Milde), wo kleinformatige, segmentbogige Fenster regelmäßig asymmetrisch an der Gewölbebasis angeordnet wurden. Auch in klösterlichen Wirtschaftsbauten wie Jerichow und Leitzkau ist dieses Prinzip verbreitet. Der Befund in Angern entspricht somit der regionalen Bautradition des 14. Jahrhunderts (vgl. Grimm 1958, S. 360; Dehio 2002, S. 91; Brandenburgisches Landesamt 2004).
Die Fensteröffnungen in Angern sind demnach bauzeitlich, funktional sinnvoll positioniert und integraler Bestandteil der ursprünglichen Raumstruktur. Ihre Ausführung unterstreicht die pragmatische Ausrichtung der Gesamtanlage, die in Bauweise und Nutzung auf Effizienz, Schutz und Dauerhaftigkeit hin optimiert war.
Wandpodest im nördlichen Palasgewölbe
Im nördlichen Tonnengewölbe des Palas der Burg Angern befindet sich ein fest in die aufgehende Mauer eingebundenes Wandpodest von etwa 90 cm Breite, 60 cm Tiefe und einer Höhe von rund 35–40 cm über dem heutigen Bodenniveau. Es handelt sich um einen flachen, steinernen Sockel, der in die nordöstliche Ecke des Raumes eingelassen ist. Die Maueranbindung ist ohne Fuge ausgebildet; der Mörtelverband entspricht dem der angrenzenden Wandstruktur, was auf eine gleichzeitige Errichtung mit der ursprünglichen Bausubstanz hinweist.
Funktionale Interpretation: Die Positionierung an der Wand, das geringe Höhenmaß sowie das Fehlen jeglicher Spuren von thermischer Beanspruchung (z. B. Ruß, Hitzerisse, metallene Einfassungen) sprechen gegen eine Nutzung als Heizstelle, Herd oder Kaminpodest. Ebenso fehlen Anschlüsse für Wasser oder Abläufe, wie sie bei gewerblich genutzten Einbauten zu erwarten wären. Stattdessen liegt die funktionale Deutung als Lagerpodest nahe – vermutlich zur erhöhten, trockenen und gegebenenfalls temperaturstabilen Aufstellung empfindlicher oder wertvoller Vorratsbehälter. Naheliegende Nutzungsmöglichkeiten umfassen:
- Talg- oder Ölgefäße, die nicht dem allgemeinen Lagerbestand zugeordnet, sondern separat verwahrt wurden
- Salzlauge- oder Essigbehälter, die kühl und erschütterungsfrei gelagert werden mussten
- Gärgut (z. B. in keramischen Halbtonnen)
- Reinigungs- oder Konservierungsmittel tierischer oder mineralischer Herkunft
Vergleichsfunde: Vergleichbare Einzelpodeste sind in der regionalen Burgenarchitektur des 13. und 14. Jahrhunderts gut dokumentiert:
- In Burg Ziesar wurde ein ähnlicher Steinblock im Nebenraum des Küchenkellers dokumentiert, dessen Position und Mörtelaufbau auf die Lagerung stark riechender Flüssigkeiten hindeuten.
- In der Burg Lenzen wird ein isoliertes Wandpodest in einem Vorratsraum des Nordflügels als Stellfläche für ein Halbfass interpretiert.
- Im Kloster Jerichow ist ein vergleichbarer Sockel erhalten, der in einem gewölbten Keller zur Ablage von mit Salzlösung gefüllten Gefäßen diente – vermutlich zur Konservierung von Fisch oder Fleisch.
In all diesen Fällen handelt es sich nicht um großräumige Lagerplattformen, sondern um bewusst abgetrennte Funktionsstellen innerhalb eines arbeitsteiligen Versorgungssystems. Der Zweck lag in der sicheren Verwahrung kleinerer, hochwertiger oder sensibler Güter, deren Zugriff kontrolliert und deren Lagerung besonderen Bedingungen unterworfen war.
Baufachliche Bewertung: Die handwerkliche Ausführung, die klare Einbindung in das bauzeitliche Mauerwerk sowie die Übereinstimmung mit regional bekannten Funktionslösungen sprechen eindeutig gegen eine nachträgliche Setzung oder spätere Umbauphase. Das Podest ist als integraler Bestandteil der Erstbauphase um 1340 zu betrachten. Es verdeutlicht die differenzierte Nutzung der Kellergewölbe und belegt, dass der Palas in Angern nicht allein als Lagerort, sondern auch als elementarer Teil der Versorgungskette innerhalb der Burgstruktur diente.
Bauhistorische Bedeutung: Das Angerner Podest stellt ein selten überliefertes Detail hochmittelalterlicher Wirtschaftsarchitektur dar. In Verbindung mit der erhaltenen Gewölbestruktur und der asymmetrischen Fensteranlage erlaubt es Rückschlüsse auf eine differenzierte Raumnutzung, wie sie für wirtschaftlich ausgerichtete Adelsresidenzen des 14. Jahrhunderts typisch ist. Die bauliche Erhaltung unterstützt die Interpretation der Kellerzone als spezialisierter Wirtschaftsbereich im Gesamtgefüge der Burg.
Literatur: Grimm 1958, Nr. 904; Brandenburgisches Landesamt 2004; Wäscher 1962, Bd. 1, S. 37 f.; Dehio 2002, S. 91.
Erhaltungszustand und bauliche Kontinuität nach 1631
Der Fortbestand der Gewölbestrukturen im Palas der Burg Angern über die Zerstörung von 1631 hinaus ist durch mehrere unabhängige Indizien belegt: Dazu zählen die hohe Feuerresistenz der massiv ausgeführten Tonnengewölbe, ihre geschützte Lage unterhalb der Flammenzone sowie die Aussagen der Dorfchronik von 1650, in der die Keller ausdrücklich als erhalten genannt werden. Eine nachträgliche Ersetzung oder Wiederverwendung älterer Bauteile (Spolien) kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Dafür sprechen folgende Einzelbeobachtungen:
- Homogenität des Mauerwerks: Ziegel und Bruchsteine im Bereich der Wände und Gewölbe zeigen eine einheitliche Materialität, identische Fugenverläufe und gleichmäßige Mörtelqualität. Es sind keine Unterschiede in Format, Lagerung oder Mörtelzusammensetzung erkennbar, die auf spätere Ergänzungen oder Umbauten schließen ließen.
- Fehlende Bearbeitungsspuren: Es fehlen Merkmale sekundärer Bearbeitung, wie sie bei der Wiederverwendung älterer Steine typisch wären (z. B. geschnittene Ränder, nachträgliche Putzüberarbeitungen, Abweichungen in der Oberflächenstruktur).
- Keine Versatz- oder Verdrehungsmerkmale: Alle Ziegel und Natursteine wurden in regulärer Lagerung und Schichtung eingebaut. Unregelmäßige Einbaurichtungen, spiegelbildliche Versätze oder mischtechnische Fremdelemente, wie sie bei Spolien üblich sind, wurden nicht festgestellt.
- Durchgängige Fugensysteme: Die Lager- und Stoßfugen im Mauerwerk verlaufen ohne Brüche oder Unterbrechungen. Es gibt keine Indikatoren für versetzte Bauteile oder Mauerabschnitte, die auf eine spätere Neuordnung schließen lassen würden.
- Fehlen epochenfremder Materialien: Es sind keine jüngeren Ziegelformate, keine industriellen Mörtelarten und keine nachmittelalterlichen Steinqualitäten in den relevanten Bauabschnitten erkennbar. Auch das Fehlen barocker Gliederungselemente oder geputzter Gewölbeabschnitte spricht gegen eine Überformung nach dem 14. Jahrhundert.
Diese Befunde belegen, dass die erhaltenen Mauerwerks- und Gewölbestrukturen des Palas im Bereich des Erdgeschosses nicht das Ergebnis einer späteren Rekonstruktion sind, sondern auf die Erstbauphase um 1340 zurückgehen. Für den Zeitraum nach 1631 sind im Gutsarchiv Angern (Rep. H) keine Eingriffe in die Palasstruktur dokumentiert; vielmehr betreffen die ab 1738 bezeugten Bauarbeiten ausschließlich die Turminsel. Für die Hauptinsel fehlen sowohl archivalische Hinweise als auch bauliche Spuren von Umbauten.
Die durchgehende Einheitlichkeit der Materialien, die originale Fugengeometrie und das Fehlen baulicher Trennfugen oder Spolien stellen ein starkes Indiz für die Authentizität der erhaltenen Substanz dar. Die Gewölbe des Palas sind damit ein besonders gut überlieferter Baubestand des 14. Jahrhunderts – von hohem Wert für die Baugeschichtsforschung hochmittelalterlicher Profanarchitektur in der Altmark.
Vergleichbare Burgen
Ein vergleichbarer Befund findet sich im Kellergeschoss der Burg Calvörde in Sachsen-Anhalt, deren Anlage im späten 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt wurde. Dort ist ein aus handgeformten Ziegeln gemauertes Kreuzgewölbe erhalten, das unmittelbar in eine Mischmauerung aus Bruchstein und Ziegel eingebunden ist und keine Hinweise auf eine nachträgliche Einwölbung zeigt. Die konstruktive Ausführung, der funktionale Kontext sowie die Materialkombination entsprechen dem Befund im Palas der Burg Angern, auch wenn dort ein durchgehendes Tonnengewölbe vorliegt. Beide Beispiele belegen die bauzeitliche Verwendung von Ziegelgewölben in nichtrepräsentativen, funktional genutzten Räumen hochmittelalterlicher Burgen der Region.
Literatur
- Kießling, Rolf: Burgen in Mitteleuropa. Darmstadt: WBG, 2011.
- Seiler, Alexander: Gewölbebau des Mittelalters – Konstruktion und Typologie. Berlin: Ernst Wasmuth, 2008.
- Grimm, Paul: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg, Berlin 1958, S. 360, Nr. 904.
- Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege: Burg Ziesar – Baugeschichte und Museumskonzeption, 2004.
- Krahe, Friedrich-Wilhelm: Burgen des deutschen Mittelalters, Würzburg 2000, S. 95.
- Wäscher, Hermann: Feudalburgen in den Bezirken Halle und Magdeburg, Berlin 1962, Bd. I, S. 37 ff.
- Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I, München/Berlin 2002, S. 91 (Angern).