Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Raumstruktur und Gewölbeaufteilung im nördlichen Erdgeschoss des Palas von Burg Angern im 14. Jahrhundert. Die bauarchäologischen Befunde im Bereich des Palas der Burg Angern – insbesondere die Freilegung des originalen Gewölbes, der Nachweis eines mittelalterlichen Umkehrgangs sowie die erhaltenen Werksteine im Eingangsbereich – erlauben eine fundierte Rekonstruktion der Raumstruktur des Erdgeschosses im 14. Jahrhundert. Ergänzt werden diese Befunde durch die Beobachtung mehrerer vermauerter Fensteröffnungen in der Ostwand.

Die Kombination dieser Elemente deutet auf eine für hochmittelalterliche Burganlagen in der Altmark typische, funktional gegliederte Raumaufteilung hin: Das Erdgeschoss diente nicht primär repräsentativen, sondern vor allem wirtschaftlichen und logistischen Zwecken – etwa als Lager, Vorratsraum oder Küche. Die Gewölbestruktur mit massiven Gurtbögen und der Umkehrgang zur internen Erschließung legen eine klare Trennung zwischen Transitraum und Funktionszonen nahe. Die vermauerten Fenster belegen eine ursprünglich deutlich offenere Lichtführung, die möglicherweise aus Sicherheits- oder Klimagründen später reduziert wurde. Diese Erkenntnisse erweitern nicht nur das Verständnis der Bauentwicklung in Angern, sondern liefern auch neue Vergleichspunkte für die typologische Einordnung von Burgpalasstrukturen im mitteldeutschen Raum.

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Südlicher Bereich des Palas mit den beiden Eingängen zum Erdgeschoss

Zugang vom Innenhof

Der ursprüngliche Zugang zum nördlichen Teil des Palas erfolgte – wie durch die Rekonstruktion des erhaltenen Bauzustands belegt – über eine mittlere Tür, die in eine bis heute vollständig erhaltene Werksteinrahmung eingelassen ist. Diese besteht aus sorgfältig bearbeiteten Quadern aus dunkelgrauem, feinkörnigem Naturstein – vermutlich Basaltlava oder ein andesitisches Gestein. Die Werksteine sind gleichmäßig zugerichtet und zeigen geglättete Sichtflächen mit klaren Kanten, was auf eine bewusste architektonische Betonung des Eingangsbereichs hindeutet.

Trotz der defensiv geprägten Gesamtstruktur des Erdgeschosses hebt die qualitätvolle Bearbeitung subtil die funktionale Bedeutung des Zugangs hervor. Der Türdurchgang selbst war jedoch nicht als repräsentativer Zugang zu einem Saal konzipiert, sondern als massiv gesicherter Kontrollpunkt innerhalb des inneren Erschließungssystems. Der Durchlass diente primär der geregelten Bewegung innerhalb der Wirtschaftsräume und zugleich der inneren Verteidigung. Der Zugang ist heute teilweise verschüttet; es besteht begründete Hoffnung, dass im unteren Bereich noch Reste der ursprünglichen Türverankerung – etwa Angeln, Bolzenlöcher oder Verriegelungsnischen – erhalten sind. Eine archäologische Freilegung könnte hier weiterführende Erkenntnisse zur Sicherungstechnik hochmittelalterlicher Zugangsanlagen liefern.

Flur mit Gewölbe und Fenster zur Grabenüberwachung

An das Werksteinportal schließt sich ein rund vier Meter langer und etwa drei Meter breiter Flur an, der sich in Ost-West-Richtung erstreckt. Dieser Korridor setzt sich nach Osten fort und mündet in ein kleines, hochsitzendes Fenster, das den Wassergraben überblickt. Solche gezielt angeordneten Licht- und Sichtöffnungen dienten im Hochmittelalter der minimalen Belichtung tiefer liegender Wirtschaftsräume und gleichzeitig der Überwachung des äußeren Annäherungsbereichs – in diesem Fall des Grabens und der vorgelagerten Insel. 

Die räumliche Organisation und Ausrichtung des Flurs folgen dabei nach wie vor den Gestaltungsprinzipien des 14. Jahrhunderts: funktionale Orientierung entlang der Verteidigungslinien, eingeschränkte, aber gezielt gesetzte Belichtung zur Überwachung der Grabenfront sowie eine zurückhaltende architektonische Ausgestaltung der inneren Übergänge. Solche Merkmale – kontrollierende Durchlässe, tonnengewölbte Erschließungsflure und hochsitzende Lichtöffnungen – sind typisch für die hochmittelalterliche Burgenarchitektur und finden sich in vergleichbarer Form an der Burg Ziesar (Brandenburg) und der Burg Falkenstein im Harz (vgl. Bergner 1911, S. 32f.; Dehio 1990, S. 11).

Die Räume im Erdgeschoss sind tonnengewölbt. Das heute sichtbare Gewölbe besteht aus Backstein und ist nachweislich 1737 neu aufgemauert worden. 

„Nachdem ich aber Ew. Exz. Sentiment eröffnet, so haben endlich H. Landbaumeister […] gefunden, daß der kleine Graben sowie die Gewölbe können konserviert werden, auf die Maße, daß man die Decke derer Gewölbe ganz wieder neu schlüge und solche niedriger mache.“ (Quelle: Nr. 4, 18.11.1737)

Trotz der barocken Absenkung und Neuvergewölbung blieben die tragenden Grundmauern des Palas-Erdgeschosses weitgehend erhalten. Die baulichen Maßnahmen beschränkten sich auf die Erneuerung des Gewölbes und eine Reduzierung der Raumhöhe, während die hochmittelalterliche Bausubstanz in ihrer Grundstruktur weiter genutzt wurde.

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Flur des Palas um 1350 mit Treppe ins Obergeschoss

180°-Umkehrgang und Gangsystem des Palas

Nördlich – also linkerhand des heutigen Eingangs – zweigt der Zugang zu einem bauzeitlichen Umkehrgang ab, der durch die westliche Innenwand des Palas verläuft. Der Gang macht eine 180°-Wendung und erschließt den nördlich gelegenen Kellerraum. Diese gezielte Führung der Bewegung diente sowohl der kontrollierten internen Erschließung als auch der Sicherung gegen unkontrolliertes Eindringen – ein typisches Element hochmittelalterlicher Verteidigungsarchitektur. Der erhaltene Gang beginnt asymmetrisch an der linken Rückwand des Eingangsbereichs, biegt sofort nach Osten ab und führt in das angrenzende Kellergewölbe. Diese Führung belegt die im Hochmittelalter verbreitete Praxis, unterschiedliche Funktionsräume unterirdisch miteinander zu verbinden. Der erhaltene 180°-Umkehrgang stellt ein bemerkenswertes baugeschichtliches Detail dar – vergleichbare Gangführungen sind selten so vollständig überliefert und ermöglichen einen unmittelbaren Einblick in die mittelalterliche Erschließungslogik. Dank des hohen Erhaltungsgrades und des weitgehenden Fehlens moderner Eingriffe gehört dieser Bereich des Palas zu den bedeutendsten authentischen Baubefunden der Burg Angern und bietet wertvolle Erkenntnisse zur inneren Infrastruktur spätmittelalterlicher Wasserburgen.

Nördliches Tonnengewölbe

Das nördlich an den Umkehrgang anschließende Tonnengewölbe weist in Teilen barocke Überformungen auf: Im Zuge der Umbauten von 1737 wurde auch dieser Raum neu aufgemauert. Trotz dieser baulichen Eingriffe folgt das Raumprofil – in Proportion, Tiefe und Wölbungsform – unverkennbar dem hochmittelalterlichen Ursprungszustand. Die gedrungene, flach gespannte Tonne entspricht dem typischen Bauprofil von Vorrats- und Wirtschaftsräumen hochmittelalterlicher Wasserburgen. Die kompakte Raumform gewährleistete statische Stabilität bei minimalem Materialeinsatz und erzeugte ein gleichmäßig kühles Raumklima, das ideal zur Lagerung empfindlicher Vorräte geeignet war. Somit bleibt das Gewölbe – trotz späterer baulicher Überformungen – ein authentisches Zeugnis der mittelalterlichen Erschließungs- und Nutzungspraxis und liefert einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung unterirdischer Funktionsräume des 14. Jahrhunderts.

Besonders hervorzuheben ist der außergewöhnlich gute Erhaltungszustand der mittelalterlichen Mauerstruktur: Die westliche und östliche Wand bestehen vollständig aus Bruchsteinmauerwerk des 14. Jahrhunderts. Die nördliche Wand wurde im Zuge späterer Umbauten mit Ziegelmauerwerk verkleidet, bewahrt jedoch im Kern nachweislich das originale mittelalterliche Mauerwerk. Lediglich die südliche Wand wurde in barocker Zeit vollständig ersetzt oder überformt. Damit stellt das nördliche Kellergewölbe ein seltenes Beispiel für einen weitgehend erhaltenen mittelalterlichen Wirtschaftsraum innerhalb einer Wasserburg dar, der trotz späterer Eingriffe wesentliche Bestandteile seiner ursprünglichen Substanz und Funktion bewahrt hat.

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Nördliches Tonnengewölbe im Palas

Südlich - also rechterhand des Eingangs - öffnet sich der Zugang zur schmalen Treppe mit Sandsteinstufen, die steil angelegt ist und von einer separaten tonnenförmigen Überwölbung eingefasst wird. Die Treppe führte in die oberen repräsentativen Wohn- und Saalgeschosse und zeigt damit die bauliche Trennung von Bewegungs- und Repräsentationsbereichen. 

Der südliche Gewölberaum im Palas

Der südliche Gewölberaum liegt unmittelbar südlich des nördlichen tonnengewölbten Flurs im Erdgeschoss des Palas, ist jedoch durch eine massive, ungebrochene Zwischenwand baulich vollständig separiert. Die östliche Außenwand des Raumes weist zwei hochliegende, segmentbogenförmige Fensteröffnungen auf, die heute vermauert sind. Diese kleinen Lichtöffnungen deuten auf eine Nutzung hin, bei der Tageslicht zwar erwünscht, aber größere Öffnungen aus Sicherheitsgründen vermieden wurden. Das Gewölbe selbst ist als einfaches, niedriges Tonnengewölbe aus grobem Bruchstein ausgeführt, mit seitlich in die Mauer eingelassenen Auflagern. Die gleichmäßige Mauerstruktur, das Fehlen von Durchgängen zum zentralen Flur und die Lage im unteren Gebäudebereich legen eine eigenständige Erschließung nahe, vermutlich über einen hofseitigen Zugang.

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Gewölbe im südlichen Bereich des Palas der Burg Angern - blau markiert

Funktionale Deutung: Im Kontext vergleichbarer Burgen – etwa Ziesar, Falkenstein oder der Wartburg – ist eine solche Raumkonfiguration typisch für Wirtschafts- und Lagerräume, die im Sockelgeschoss des Palas oder angrenzender Flügel angesiedelt waren. Charakteristisch ist dabei die Trennung vom Wohnbereich sowie der Verzicht auf große Fensteröffnungen, um Brandschutz, Kälte- und Feuchteresistenz sowie eine gewisse Sicherung vor Einbruch oder Zugriff zu gewährleisten. Derartige Räume wurden häufig zur Lagerung von Vorräten (z. B. Getreide, Wein, Salz), zur Aufbewahrung von Geräten oder für rüstungstechnisches Material genutzt. In Krisensituationen konnten sie zudem als geschützte Depoträume oder Rückzugsorte dienen, da ihre begrenzte Erschließung eine Kontrolle des Zugangs erleichterte. Auch in Angern deutet vieles auf eine solche multifunktionale Nutzung. Die architektonische Eigenständigkeit, die robuste Bauausführung mit geringem Öffnungsanteil und die Position im besonders geschützten inneren Bereich der Hauptburg sprechen für eine wirtschaftlich-strategische Rolle. Der Raum war durch seine bauliche Trennung flexibel nutzbar, ohne die Funktionsabläufe im Flurbereich zu stören. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass er innerhalb der ringmauerumfassten Hauptinsel liegt, was ihn zusätzlich vor äußeren Zugriffen schützte.

Bezug zur Ringmauer und Brückenverbindung: Unmittelbar südlich des Gewölberaums verlief die hölzerne Brücke, die vom offenen Wehrgang der Ringmauer zum östlich vorgelagerten Bergfried führte. Zwar war der Gewölberaum nicht direkt in die Tragstruktur dieser Verbindung eingebunden, doch verdeutlicht seine Nähe zur Brückentrasse die funktionale Verschränkung von Wohn- und Wehrarchitektur innerhalb der Hauptburg. Die Position unterhalb des Wehrgangs unterstreicht seine strategisch günstige Lage, ohne dass ihm eine spezifisch statische Funktion in Bezug auf die Brücke zugewiesen werden muss.

Einordnung und Bedeutung: Der südliche Gewölberaum des Palas von Angern dokumentiert in besonderer Weise das Zusammenspiel von Wirtschaft, Verteidigung und Wohnorganisation im hochmittelalterlichen Burgbau. In der klar gegliederten Raumstruktur der Hauptburg bildet er ein autonomes Raumvolumen mit potenziell vielfältiger Nutzung. Solche Räume waren integraler Bestandteil des wirtschaftlichen Funktionierens einer Burganlage und zugleich Ausdruck einer durchdachten baulichen Hierarchisierung. Die Kombination aus Erschließungssicherheit, baulicher Stabilität und funktionaler Flexibilität verleiht dem Raum einen exemplarischen Charakter für vergleichbare Bauten des 13. und 14. Jahrhunderts in Norddeutschland.

Raumgliederung und Funktion

Proportionsanalyse: Breite des Palas im Vergleich zum Bergfried: Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Breite des Palas ergibt sich aus der bekannten Grundfläche des Bergfrieds, der mit 10 × 10 Metern vermessen ist. Da der Turm in einer Fluchtlinie mit dem Palas liegt, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch der Palas eine Breite von etwa 10 Metern aufwies. Diese Annahme wird durch vergleichbare Anlagen gestützt: In Burgen wie Falkenstein, Ziesar oder Querfurt liegen die Breiten der Palasbauten ebenfalls zwischen 8 und 10 Metern. Eine solche Breite ermöglichte einen klar gegliederten, zweigeschossigen Wohnbau mit mittiger oder seitlicher Treppenführung und Repräsentationsraum im Obergeschoss. Auch eine direkte Verbindung auf Höhe des ersten Obergeschosses zur Turminsel wäre bei einer solchen Proportion statisch und funktional gut realisierbar. Die Länge des Palas ist identisch mit der Länge der Ostseite der Hauptburg und beträgt 35 Meter. 

Das Tonnengewölbe des nördlichen Gewölbes liegt nahezu auf Hofniveau, was zeigt, dass der Keller von Anfang an ebenerdig oder nur leicht vertieft angelegt wurde. Hinweise auf ein ursprüngliches Pflaster fehlen; der heutige Boden ist verschüttet. Die Wände sind einfach und grob ausgeführt und weisen keinerlei Spuren repräsentativer Gestaltung auf, etwa Kaminzüge oder Wandverkleidungen. Diese Ausführung bestätigt die Nutzung des Raumes als reinen Lager- und Wirtschaftskeller.

Das Tonnengewölbe selbst ist relativ schmal und tief angelegt, entsprechend der typischen Funktion eines Vorratsraumes zur Lagerung von Lebensmitteln oder Gerätschaften. An der Ostwand befindet sich ein kleines Fenster, das ursprünglich vermutlich schmaler angelegt und später vergrößert wurde. Es diente der minimalen Belichtung und Belüftung des Kellerraumes. Seine Position bestätigt, dass der Palas unmittelbar an der Ostkante der Hauptinsel errichtet wurde, wobei die Ostwand zugleich die Außenbegrenzung zum Wassergraben bildete. Die Existenz des Fensters unterstreicht, dass der Raum zumindest eine begrenzte natürliche Lichtzufuhr erhalten sollte und nicht als vollständig dunkler Kellerraum konzipiert war.

Vergleichende Einordnung

Die in Angern nachgewiesene Struktur zeigt deutliche Parallelen zu vergleichbaren Anlagen der Altmark und Mitteldeutschlands. So ist beispielsweise bei der Burg Ziesar (Brandenburg) der Palas ebenfalls in einen zentralen Flur mit kontrollierter Erschließung und angrenzenden Wirtschaftsbereichen gegliedert (vgl. Dehio 1990, S. 11). Auch die Burg Falkenstein im Harz weist einen gesicherten Zugang über Flure mit daran anschließenden Lagerräumen auf, wobei kleine Fenster bewusst über Wasseranlagen angeordnet sind, um Belichtung und Verteidigungsfunktion zu kombinieren (vgl. Bergner 1911, S. 32f.). Eine ähnliche Trennung von Hauptflur und angrenzenden Wirtschaftsgewölben findet sich schließlich auch an der Markgrafenburg in Salzwedel, womit sich Burg Angern eindeutig in den architektonischen Kontext hochmittelalterlicher Adelsresidenzen der Region einordnen lässt (vgl. Danneil 1847).

Baugeschichtliche Einordnung

Die Entdeckung des erhaltenen Bruchsteingewölbes hinter einer späteren Ziegelmauer sowie die Erhaltung des originalen Eingangsgewändes aus sorgfältig bearbeitetem dunkelgrauem Naturstein belegen, dass die ursprüngliche Erschließung des Palas auf eine hochfunktionale, zugleich repräsentative Planung ausgerichtet war. Der Hauptzugang war deutlich akzentuiert und dokumentiert die architektonische Wertigkeit der Anlage bereits bei ihrer Errichtung um 1340. Die klare Trennung zwischen Zugang, Aufstieg in die Wohnbereiche und Erschließung der Kellerzonen entspricht dem Standard hochmittelalterlicher Adelsburgen in Norddeutschland. Die später vorgenommenen Überwölbungen mit Ziegeln sowie die Vermauerung des ursprünglichen Eingangs spiegeln Reparaturen und Umbauten wider, die vermutlich nach schweren Beschädigungen – etwa im Dreißigjährigen Krieg – erfolgten und die Anpassung an veränderte Wohn- und Wirtschaftsbedürfnisse dokumentieren (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H 76).

Fazit

Das Erdgeschoss im Palas der Burg Angern weist eine außergewöhnlich authentische Raumstruktur aus dem 14. Jahrhundert auf. Diese Befunde ermöglichen es, die ursprüngliche Nutzung und Erschließung einer hochmittelalterlichen Burganlage exemplarisch nachzuvollziehen und sie in den Kontext vergleichbarer Anlagen der Altmark und der mitteldeutschen Niederungsburgen einzuordnen. Die differenzierte Trennung zwischen dem nördlichen Flur- und Treppenbereich und den südlichen Wirtschaftsgewölben dokumentiert die Prinzipien hochmittelalterlicher Burgarchitektur: Verteidigung, Funktionalität und Nutzungstrennung. Innerhalb der Burgenlandschaft Norddeutschlands nimmt die Raumstruktur des Palas in Angern damit eine beispielhafte Stellung ein.

Quellen

  • Bergner, Heinrich: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt, Halle a. d. S., 1911.
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I, München/Berlin, 1990.
  • Biller, Thomas: Burgen im Mittelalter. Grundlagen ihrer Entwicklung, Darmstadt, 2005.
  • Zeune, Joachim: Burgen – Symbole der Macht, Stuttgart, 1997.
  • Meier, Martin: Die mittelalterliche Burg, Darmstadt, 2014.
Die Quellenlage und baulichen Befunde der Burg Angern: Rekonstruktion einer hochmittelalterlichen Wasserburg. Die Burg Angern in der Altmark stellt ein selten erforschtes Beispiel für eine hochmittelalterliche Wasserburg mit außergewöhnlich gut erhaltener Geländestruktur und greifbaren Bauspuren dar. Errichtet im 14. Jahrhundert unter dem Magdeburger Erzbistum, blieb ihre ursprüngliche Funktionsgliederung – bestehend aus Hauptburg, Vorburg und separater Turminsel – trotz späterer Zerstörungen und barocker Überformungen bis heute in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben sind. Die Umrisse der Gräben und die Insellage lassen sich im heutigen Gelände noch deutlich nachvollziehen und liefern eine seltene, anschauliche Grundlage für die topografische Rekonstruktion der spätmittelalterlichen Burgstruktur. Diese klare Dreigliederung – Wohnbereich, Wirtschaftsbereich und Wehrinsel – ist im norddeutschen Raum nur selten in solcher Klarheit überliefert. Das vorliegende Essay analysiert die archivalischen Quellen und baulichen Überreste und bewertet das Rekonstruktionspotenzial der Anlage im Vergleich mit regionalen Parallelbeispielen.
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum. Hauptburg Angern mit Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
1735 ließ Christoph Daniel von der Schulenburg, ein General im Dienst des Königs von Sardinien, ein neues dreiflügeliges Schloss auf auf der 2. Insel erbauen, auf der sich auch der Turm befand. Dieses Gebäude wurde nach den Plänen des Magdeburger Landbaumeisters Fiedler gebaut, wobei zahlreiche Baufehler auftraten, die eine Fertigstellung verzögerten. Der Bau wurde schließlich unter der Aufsicht von Maurermeister Böse abgeschlossen. Von der ursprünglichen Burg auf der ersten Insel sowie dem Turm auf der zweiten Insel blieben Kellergewölbe erhalten, die heute zum Teil begehbar sind.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1350 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik. Von der Vorburg zum Pforthäuschen
Die Burg Angern im Kontext des hochmittelalterlichen Burgenbaus in der Altmark und im mitteldeutschen Raum. Die hochmittelalterliche Burg Angern zählt zu den am besten bauarchäologisch überlieferten Niederungsburgen im norddeutschen Raum. Ihre topografische Besonderheit – die Trennung von Hauptburg und Wehrturm auf zwei künstlich angelegten Inseln – stellt ein herausragendes Beispiel für die strategische und funktionale Entwicklung von Wasserburgen im 14. Jahrhundert dar. Das vorliegende Essay untersucht die Stellung der Burg Angern im Vergleich zu regionalen Burgenbautypen und reflektiert Gemeinsamkeiten und Abweichungen im Hinblick auf Anlageform, Materialität, Verteidigungskonzept und architektonische Klarheit.
Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern entstand 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg als klassische Niederungsburg auf zwei künstlich angelegten Inseln, geschützt durch ein umfassendes System von Wassergräben. Die räumliche Trennung von Hauptburg und Wehrturm auf zwei eigenständigen Inseln ist im hochmittelalterlichen Burgenbau Norddeutschlands bislang ohne bekannte Parallele dokumentiert. Der Zugang zur Hauptburg erfolgte über eine hölzerne Brücke, die zur möglicherweise westlich vorgelagerten Vorburg führte, welche ihrerseits Wirtschaftsfunktionen wie Stallungen, Lagerräume und Gesindewohnungen beherbergte sowie möglicherweise vom Wehrturm der südlichen Insel. Die Hauptinsel war quadratisch (ca. 35 × 35 m) angelegt. Ein eigenständiges Torhaus ist für Angern nicht nachweisbar; der Zugang wurde vielmehr nachweislich durch ein einfaches Pforthäuschen geregelt – eine Abweichung von der sonst verbreiteten Torhausarchitektur und ein Hinweis auf eine reduzierte, pragmatische Verteidigungsstrategie.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.