Das altmärkische Gut Vergunst war bis zur Zusammenlegung mit dem Schlossgut Angern im Jahr 1738 nicht nur eine verstreute Besitzstruktur innerhalb der Familie von der Schulenburg, sondern zugleich ein hoch differenziert organisierter landwirtschaftlicher Betrieb mit komplexer Sozialstruktur. Diese lässt sich insbesondere über zwei zentrale Quellen rekonstruieren: das Dienstbuch von 1674 sowie eine systematische Erhebung aller Untertanen unter Generalmajor Graf von der Schulenburg im Jahr 1725.
Bereits das Dienstbuch von 1674 belegt die Existenz zahlreicher dienstpflichtiger Kossatenhöfe in Angern und Wenddorf, darunter sowohl Halbkossaten als auch Vollkossaten, deren Eigentümer zur regelmäßigen Hand- und Spanndienstleistung verpflichtet waren. Die Wochenarbeitsverpflichtungen wurden während der Roggenernte (zwischen Peter und Paul und Bartholomäus) auf bis zu drei Tage angehoben. Bei eigenem Gespann zählte ein Einsatztag als vollwertiger Wochendienst. Daneben gab es Freie, die nur zu 24 Arbeitstagen im Jahr verpflichtet waren, jedoch ebenfalls zu festen Ernteeinsätzen herangezogen wurden.
Die Verpflegung war nach sozialem Status differenziert geregelt: Während die Kossaten während der Erntetage zwei warme Mahlzeiten erhielten, bekamen die Freien zusätzlich Morgen- und Viertmahl. Mäher wurden darüber hinaus mit Wurst oder Gänsefleisch versorgt und erhielten täglich sechs Maß Bier. Die Speisezettel des Dienstbuchs umfassen einfache, aber kalorienreiche Kost: Hirsegrütze, Fleisch mit Rüben, Erbsen mit Schaffleisch oder Bauernkohl mit Wurst. Bier wurde in großen Tonnen aufs Feld gebracht.
Die Kossaten arbeiteten nicht nur für das Gut selbst, sondern wurden auch für Arbeiten auf dem Ramstedter Gutsbesitz abgestellt. Diese intergutswirtschaftliche Flexibilität wurde von einem Voigt koordiniert, der dauerhaft auf dem Gut wohnte. Daneben gab es reguläres Gesinde und eine Erntebelegschaft aus Tagelöhnern.
Besonders bemerkenswert ist der soziale Umgang mit altersschwachen Untertanen: So wurde beispielsweise der erkrankte Wenddorfer Kossat Hans Fricke mit einem Gespann des Guts versorgt und dauerhaft durch das Gesinde mitverpflegt. Solche Regelungen zeigen, dass das Gut nicht nur als Ausbeutungsstruktur funktionierte, sondern auch Elemente sozialer Verantwortung gegenüber abhängigen Familienmitgliedern und alternden Arbeitskräften kannte.
Die Erhebung von 1725 ergänzt dieses Bild durch eine klare quantitative Erfassung: Damals bestanden auf Vergunst 8 Halbspännerhöfe, 9 ganze und 5 halbe Kossatenhöfe, 10 Freistellen sowie 3 Neuansiedlungen. Diese Differenzierung verweist auf eine feingliedrige Sozialstruktur mit abgestuften Rechten, Pflichten und ökonomischen Rollen. Der Dienst auf dem Gut war institutionell geregelt, teils durch Ablösung, teils durch Sachleistungen. Besonders ältere Bewohner konnten gegen Versorgung auf Rechte verzichten oder diese an Nachfolger übertragen.
Gut Vergunst war damit kein statisches, sondern ein anpassungsfähiges System adeliger Gutswirtschaft: lokal verankert, sozial gestaffelt und in der Lage, sowohl wirtschaftliche Produktion als auch soziale Integration zu leisten. Diese Strukturen bilden das Fundament für die erfolgreiche Konsolidierung unter Christoph Daniel von der Schulenburg nach 1738.