Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Der „Alt Hansens Teil“ – Besitzgeschichte eines Rückkaufs: Die Bezeichnung „Alt Hansens Teil“ verweist auf eine komplexe und konfliktreiche Phase der Besitzgeschichte des Guts Vergunst, die tief in das 16. und 17. Jahrhundert zurückreicht. Im Zentrum dieser Entwicklung steht Hans XII. von der Schulenburg, Sohn des Busso VI. (1550–1601), und damit Angehöriger der jüngeren Linie der älteren Linie des weißen Stammes. Nachdem Busso VI. durch Verschuldung den Großteil seines Besitzes – konkret 5/8 des Gutes Angern-Vergunst – verloren hatte, war es Hans XII., dem im Jahr 1602 der Rückkauf dieser Anteile gelang.

Ein aufschlussreicher Beleg für diesen Rückerwerb findet sich in einer Urkunde vom 6. Dezember 1605, in der das Domkapitel zu Magdeburg seinen offiziellen Konsens zum Kaufabschluss erteilt. Damit wurde der zuvor an Gläubiger übertragene Lehnsteil von Hans XII. wieder in den Familienbesitz überführt. Die Zustimmung des Kapitels war dabei nicht nur ein juristischer, sondern auch ein moralischer Akt: In der Begründung heißt es, dass weder Hans noch sein verstorbener Bruder Franz („Frantz seliger“) jemals aus dem väterlichen Nachlass bedacht worden seien. Diese Feststellung diente als Argument für eine gerechte Nachfolge und damit zur Legitimation des Rückkaufs. Allerdings war die Genehmigung an eine familieninterne Auflage gebunden: Hans XII. hatte den Kindern eines weiteren verstorbenen Bruders eine Kompensationszahlung von 1.900 Reichstalern zu leisten – zahlbar in Raten bis 1610. Der Rückkauf wurde so zugleich zu einem Akt der familienpolitischen Schuldenregelung im Spannungsfeld zwischen Lehnrecht und Erbrecht.

Die Quelle gewährt einen selten klaren Einblick in die Verflechtung von juristischer Legitimation, familiärem Interessenausgleich und ökonomischer Machtwahrung im frühneuzeitlichen Adel der Altmark. Sie verdeutlicht, dass adelige Besitzübertragungen nicht allein auf finanziellen Mitteln beruhten, sondern auch auf formellen Konsensakten, innerfamiliären Aushandlungen und symbolischen Ordnungsvorstellungen. Der Rückkauf von Hans XII. markierte daher nicht nur eine wirtschaftliche Stabilisierung, sondern auch eine identitätsstiftende Leistung innerhalb des Geschlechts. Die spätere Bezeichnung des zurückerworbenen Anteils als „Alt Hansens Teil“ diente der genealogischen Abgrenzung gegenüber anderen Linien und verlieh dem Lehnsteil eine herkunftsbezogene Verankerung innerhalb der schulenburgischen Besitzstruktur.

Als Hans XII. im Jahr 1625 starb, hinterließ er keine Söhne, sondern drei überlebende Töchter. Diese verweigerten die Übergabe des Besitzes an ihren männlichen Vetter Kaspar Ernst von der Schulenburg, Sohn von Fritz IV., dem Bruder von Busso VI., mit dem Argument, ihr Vater habe mit eigenem Vermögen und Investitionen (Melioration) den Besitz wiederhergestellt. Diese unsichere Rechtslage verhinderte jegliche langfristige Investition und führte zu einer allmählichen wirtschaftlichen wie baulichen Vernachlässigung des Gutsanteils. Die weiblichen Nachkommen des Verstorbenen forderten als Erbinnen ihre Ansprüche ein, während das Lehnrecht eine männliche Nachfolge vorsah. Der „Alt Hansens Teil“, ursprünglich das Herzstück des älteren Zweigs der Familie von der Schulenburg, verlor in dieser Zeit nicht nur seine wirtschaftliche Bedeutung, sondern auch seinen Status als genealogischer Hauptsitz.

Daraus entstand ein jahrelanger Erbschaftsstreit, in dem zentrale Fragen frühneuzeitlicher Eigentumsregelung aufgeworfen wurden: etwa zur Rückerstattung väterlicher Investitionen, zur Erbanspruchsberechtigung weiblicher Nachkommen und zum Verhältnis von Wiederkauf und Lehnnachfolge. Erst im Jahr 1667 wurde ein Vergleich erzielt, der vermutlich eine finanzielle Kompensation der Töchter vorsah und Kaspar Ernst von der Schulenburg als Lehnserben bestätigte. Der Streit hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Entwicklung des „Alt Hansens Teil“. Zwischen 1605 und 1667 blieb die rechtliche Zugehörigkeit ungeklärt, was Investitionen verhinderte und zu einem Verfall von Ertrag und Gebäudesubstanz führte. Der einstige Hauptsitz des älteren Familienzweigs verlor zunehmend an wirtschaftlicher und genealogischer Bedeutung. Nach dem Vergleich von 1667 galt der ältere Zweig im Mannesstamm als erloschen. Kaspar Ernst selbst verstarb 1657 auf Ütz, womit sich der Besitz vorübergehend in einem rechtlich diffusen Zustand befand.

Zeitgleich war auch Burchard Jacob von der Schulenburg, Inhaber des zweiten Anteils an Vergunst, wirtschaftlich angeschlagen. Beide erklärten ihre Absicht, das hochverschuldete Gut den Gläubigern zu überlassen. Die Familie intervenierte jedoch erneut: Durch interne Vergleiche und Umschuldungen gelang es, den Besitz zu stabilisieren. 

Nach dem Tod von Kaspar Ernst im Jahr 1657 und dem Abschluss des Erbstreits mit den Töchtern von Hans XII. im Jahr 1667 fiel der „Alt Hansens Teil“ innerhalb der Familie an Achaz Friedrich von der Schulenburg, der sich im Rahmen eines innerfamiliären Vergleichs zur Übernahme der hochverschuldeten Besitzteile bereiterklärte. Die Übergabe erfolgte nicht durch formale Belehnung seitens einer Außeninstanz, sondern im Rahmen eines konsensualen innerdynastischen Einigungsprozesses. Achaz Friedrich vereinte schließlich beide Anteile des Guts Vergunst – den vormals von Kaspar Ernst gehaltenen „Alt Hansens Teil“ und den ebenfalls überschuldeten Anteil von Burchard Jacob von der Schulenburg – unter seiner Hand. Dieser Vorgang lässt sich auf die späten 1660er- bis frühen 1670er-Jahre datieren, also konkret nach 1667.

Diese Konsolidierung konnte jedoch den strukturellen Bedeutungsverlust des „Alt Hansens Teil“ nicht aufhalten. Eine Taxation von 1738 belegt den wirtschaftlichen Abstieg: Während der modernisierte Anteil des Guts mit 10.000 Talern bewertet wurde, lag der „Alt Hansens Teil“ nur noch bei 2.000 Talern – ein Ausdruck seiner baulichen Rückständigkeit und der anhaltenden Altlasten.

Erst durch die Übernahme des gesamten Gutskomplexes durch Christoph Daniel von der Schulenburg wurde dieser traditionsreiche, aber stark verschuldete Lehnsteil in die modernisierte Gutswirtschaft der Barockzeit überführt. Der „Alt Hansens Teil“ verlor seine Eigenständigkeit und ging funktional wie symbolisch in einem zentralisierten Betriebsmodell auf. Aus dem einstigen Stammsitz des älteren Zweigs wurde ein regulärer Teil eines effizient verwalteten, repräsentativen Gutsherrensystems – die genealogische Sonderstellung war damit aufgehoben, aber das materielle Erbe gerettet.

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg im Sommer 1631 durch den Einfall des Holk'schen Regiments – blieben das Erdgeschoss es Palas und der Turm mit mehreren Etagen sowie auch die Tonnengewölbe neben dem Turm erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.