Der „Alt Hansens Teil“ – Besitzgeschichte eines Rückkaufs: Die Bezeichnung „Alt Hansens Teil“ verweist auf eine komplexe und konfliktreiche Phase der Besitzgeschichte des Guts Vergunst, die tief in das 16. und 17. Jahrhundert zurückreicht. Im Zentrum dieser Entwicklung steht Hans XII. von der Schulenburg, Sohn des Busso VI. (1550–1601), und damit Angehöriger der jüngeren Linie der älteren Linie des weißen Stammes. Nachdem Busso VI. durch Verschuldung den Großteil seines Besitzes – konkret 5/8 des Gutes Angern-Vergunst – verloren hatte, war es Hans XII., dem im Jahr 1602 der Rückkauf dieser Anteile gelang.
Ein aufschlussreicher Beleg für diesen Rückerwerb findet sich in einer Urkunde vom 6. Dezember 1605, in der das Domkapitel zu Magdeburg seinen offiziellen Konsens zum Kaufabschluss erteilt. Damit wurde der zuvor an Gläubiger übertragene Lehnsteil von Hans XII. wieder in den Familienbesitz überführt. Die Zustimmung des Kapitels war dabei nicht nur ein juristischer, sondern auch ein moralischer Akt: In der Begründung heißt es, dass weder Hans noch sein verstorbener Bruder Franz („Frantz seliger“) jemals aus dem väterlichen Nachlass bedacht worden seien. Diese Feststellung diente als Argument für eine gerechte Nachfolge und damit zur Legitimation des Rückkaufs. Allerdings war die Genehmigung an eine familieninterne Auflage gebunden: Hans XII. hatte den Kindern eines weiteren verstorbenen Bruders eine Kompensationszahlung von 1.900 Reichstalern zu leisten – zahlbar in Raten bis 1610. Der Rückkauf wurde so zugleich zu einem Akt der familienpolitischen Schuldenregelung im Spannungsfeld zwischen Lehnrecht und Erbrecht.
Die Quelle gewährt einen selten klaren Einblick in die Verflechtung von juristischer Legitimation, familiärem Interessenausgleich und ökonomischer Machtwahrung im frühneuzeitlichen Adel der Altmark. Sie verdeutlicht, dass adelige Besitzübertragungen nicht allein auf finanziellen Mitteln beruhten, sondern auch auf formellen Konsensakten, innerfamiliären Aushandlungen und symbolischen Ordnungsvorstellungen. Der Rückkauf von Hans XII. markierte daher nicht nur eine wirtschaftliche Stabilisierung, sondern auch eine identitätsstiftende Leistung innerhalb des Geschlechts. Die spätere Bezeichnung des zurückerworbenen Anteils als „Alt Hansens Teil“ diente der genealogischen Abgrenzung gegenüber anderen Linien und verlieh dem Lehnsteil eine herkunftsbezogene Verankerung innerhalb der schulenburgischen Besitzstruktur.
Als Hans XII. im Jahr 1625 starb, hinterließ er keine Söhne, sondern drei überlebende Töchter. Diese verweigerten die Übergabe des Besitzes an ihren männlichen Vetter Kaspar Ernst von der Schulenburg, Sohn von Fritz IV., dem Bruder von Busso VI., mit dem Argument, ihr Vater habe mit eigenem Vermögen und Investitionen (Melioration) den Besitz wiederhergestellt. Diese unsichere Rechtslage verhinderte jegliche langfristige Investition und führte zu einer allmählichen wirtschaftlichen wie baulichen Vernachlässigung des Gutsanteils. Die weiblichen Nachkommen des Verstorbenen forderten als Erbinnen ihre Ansprüche ein, während das Lehnrecht eine männliche Nachfolge vorsah. Der „Alt Hansens Teil“, ursprünglich das Herzstück des älteren Zweigs der Familie von der Schulenburg, verlor in dieser Zeit nicht nur seine wirtschaftliche Bedeutung, sondern auch seinen Status als genealogischer Hauptsitz.
Daraus entstand ein jahrelanger Erbschaftsstreit, in dem zentrale Fragen frühneuzeitlicher Eigentumsregelung aufgeworfen wurden: etwa zur Rückerstattung väterlicher Investitionen, zur Erbanspruchsberechtigung weiblicher Nachkommen und zum Verhältnis von Wiederkauf und Lehnnachfolge. Erst im Jahr 1667 wurde ein Vergleich erzielt, der vermutlich eine finanzielle Kompensation der Töchter vorsah und Kaspar Ernst von der Schulenburg als Lehnserben bestätigte. Der Streit hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Entwicklung des „Alt Hansens Teil“. Zwischen 1605 und 1667 blieb die rechtliche Zugehörigkeit ungeklärt, was Investitionen verhinderte und zu einem Verfall von Ertrag und Gebäudesubstanz führte. Der einstige Hauptsitz des älteren Familienzweigs verlor zunehmend an wirtschaftlicher und genealogischer Bedeutung. Nach dem Vergleich von 1667 galt der ältere Zweig im Mannesstamm als erloschen. Kaspar Ernst selbst verstarb 1657 auf Ütz, womit sich der Besitz vorübergehend in einem rechtlich diffusen Zustand befand.
Zeitgleich war auch Burchard Jacob von der Schulenburg, Inhaber des zweiten Anteils an Vergunst, wirtschaftlich angeschlagen. Beide erklärten ihre Absicht, das hochverschuldete Gut den Gläubigern zu überlassen. Die Familie intervenierte jedoch erneut: Durch interne Vergleiche und Umschuldungen gelang es, den Besitz zu stabilisieren.
Nach dem Tod von Kaspar Ernst im Jahr 1657 und dem Abschluss des Erbstreits mit den Töchtern von Hans XII. im Jahr 1667 fiel der „Alt Hansens Teil“ innerhalb der Familie an Achaz Friedrich von der Schulenburg, der sich im Rahmen eines innerfamiliären Vergleichs zur Übernahme der hochverschuldeten Besitzteile bereiterklärte. Die Übergabe erfolgte nicht durch formale Belehnung seitens einer Außeninstanz, sondern im Rahmen eines konsensualen innerdynastischen Einigungsprozesses. Achaz Friedrich vereinte schließlich beide Anteile des Guts Vergunst – den vormals von Kaspar Ernst gehaltenen „Alt Hansens Teil“ und den ebenfalls überschuldeten Anteil von Burchard Jacob von der Schulenburg – unter seiner Hand. Dieser Vorgang lässt sich auf die späten 1660er- bis frühen 1670er-Jahre datieren, also konkret nach 1667.
Diese Konsolidierung konnte jedoch den strukturellen Bedeutungsverlust des „Alt Hansens Teil“ nicht aufhalten. Eine Taxation von 1738 belegt den wirtschaftlichen Abstieg: Während der modernisierte Anteil des Guts mit 10.000 Talern bewertet wurde, lag der „Alt Hansens Teil“ nur noch bei 2.000 Talern – ein Ausdruck seiner baulichen Rückständigkeit und der anhaltenden Altlasten.
Erst durch die Übernahme des gesamten Gutskomplexes durch Christoph Daniel von der Schulenburg wurde dieser traditionsreiche, aber stark verschuldete Lehnsteil in die modernisierte Gutswirtschaft der Barockzeit überführt. Der „Alt Hansens Teil“ verlor seine Eigenständigkeit und ging funktional wie symbolisch in einem zentralisierten Betriebsmodell auf. Aus dem einstigen Stammsitz des älteren Zweigs wurde ein regulärer Teil eines effizient verwalteten, repräsentativen Gutsherrensystems – die genealogische Sonderstellung war damit aufgehoben, aber das materielle Erbe gerettet.