Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Das Pforthäuschen der Vorburg von Burg Angern – Zugangskontrolle zwischen Dorf und Wirtschaftshof (um 1350). Die Vorburg der Burg Angern verfügte – wie zahlreiche hochmittelalterliche Wasserburgen – über eine klare funktionale Gliederung zwischen herrschaftlichem Kernbereich, Wirtschaftshof und angrenzender Siedlungsstruktur. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang ein kleiner, freistehender Baukörper an der Nordseite der Vorburg, leicht abgesetzt vom Hauptflügel. Dieser ist auf einer historischen Skizze um 1760 verzeichnet und kann mit hoher Wahrscheinlichkeit als das ehemalige Pforthäuschen identifiziert werden.

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Vermutete Lage des Pforthäuschens in einem Katasterplan von 1760

Bedeutung und Typologie

Das sogenannte Pforthäuschen nimmt innerhalb der architektonischen Gesamtstruktur sowie der historischen Überlieferung der Anlage eine besondere Stellung ein. Als Schnittstelle zwischen der festländischen Vorburg und der wasserumwehrten Hauptburginsel war es nicht nur ein bauliches, sondern auch ein symbolisches Element der Herrschaftsordnung. Der Begriff „Pforthäuschen“ bezeichnet in der mittelalterlichen Burgenkunde typologisch einen kleineren Torbau, der im Gegensatz zu repräsentativen Haupttoren mit Zwingeranlage eher als vorgelagerter Wach- und Kontrollpunkt konzipiert war.

Quellenbeleg

Ein zentraler Hinweis auf seine bauliche Beständigkeit und funktionale Bedeutung stammt aus dem Gutsarchiv Angern, in dem der Zustand der Burg nach ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg beschrieben wird:

„Außer dem mangelhaften Brauhause ohne den geringsten Inhalt und einem Dach- und Fachlosen Viehstall nur noch das Pforthäuschen stand.“ (Dorfchronik Angern, um 1650)

Diese Passage belegt, dass das Pforthäuschen – im Gegensatz zu den übrigen, vermutlich hölzernen Vorburgbauten – den Angriff überstand. Dies deutet auf eine massive Bauweise aus Feldstein, möglicherweise mit Tonnengewölbe, und auf eine geschützte Lage innerhalb des Zugangsbereichs hin. Damit stellt es ein bauliches Bindeglied zwischen Vorburg und Hauptinsel dar und bildet ein wichtiges Indiz für die funktionale Gliederung der Gesamtanlage.

Funktion und Nutzung

Funktional übernahm das Pforthäuschen eine Vielzahl an Aufgaben: Es war Ort der Überwachung des Personen- und Warenverkehrs, diente der Begrüßung von Besuchern, der Übermittlung von Nachrichten, dem Empfang von Boten sowie der Einweisung von Lieferanten. Vergleichbare Bauten finden sich etwa in den Klosteranlagen von Loccum und Corvey, wo Pforthäuser eine kombinierte Wach-, Empfangs- und Kontrollfunktion erfüllten. In Adelsburgen wie Ziesar, Kalbe (Milde) oder Lenzen sind einfache Torhäuser in der Zugangsachse zur Kernburg dokumentiert.

Das Pforthäuschen bildete somit den Schnittpunkt zwischen dem Dorf Angern und der Vorburg. Es handelte sich nicht um ein repräsentatives Torhaus, sondern um einen kleinen, funktional ausgerichteten Kontrollbau. Hier wurden Lieferanten, Gesinde, Handwerker und Besucher eingelassen oder abgewiesen. Auch kleinere Lieferungen oder Nachrichten konnten entgegengenommen werden, ohne dass Fremde den Wirtschaftshof betraten. Die räumliche Absetzung vom Nordflügel unterstreicht diese eigenständige Funktion. Es war nicht mit der Brücke zur Hauptburg verbunden, sondern regulierte ausschließlich den Zugang vom Dorf zur Vorburg – im Gegensatz zur Brückenzone, die intern durch den Nordflügel geschützt war.

Aufbau und Raumfolge

Ob das Pforthäuschen in Angern dauerhaft bewohnt war, lässt sich nicht belegen. Denkbar ist eine kleine Wachstube oder Oberkammer über einem tonnengewölbten Durchgang. Der rückwärtige Ausgang führte vermutlich direkt in den zentralen Wirtschaftshof der Hauptburg und ermöglichte eine Sichtbeziehung zu Wohnhaus, Bergfried, Küche und Speicherbauten. Diese funktionale Raumfolge ist typisch für Burganlagen der Zeit und zeigt sich auch in Beetzendorf. Bauliche Reste sind nicht erhalten, doch lässt sich aus Lage und Typologie auf einen eingeschossigen Fachwerkbau mit steinernem Sockel schließen. Eine überdachte Sitzbank, abschließbare Tür und hölzernes Gatter sind typisch. Der Zugang war bei Bedarf verschließbar, ohne die gesamte Vorburg abzuriegeln.

Zur Lage des Pforthäuschens

Aus heutiger Sicht könnte es sinnvoll erscheinen, das Pforthäuschen unmittelbar an den Anfang der Brücke zur Hauptburg zu setzen, um eine physische Barriere zwischen Vorburg und Kernburg zu schaffen. Tatsächlich jedoch spiegelt die abgesetzte Platzierung des Pforthäuschens – einige Meter nördlich des Vorburghofs – die mittelalterliche Funktionslogik wider. Es handelte sich nicht um eine militärische Sicherung der Hauptburg, sondern um eine soziale Zugangskontrolle zum Wirtschaftshof. Der Übergang zur Hauptburg wurde in der Regel intern gesichert, etwa durch abschließbare Türen im Nordflügel oder ein abnehmbares Brückenteil. Diese Trennung von sozialer Zugangskontrolle und militärischer Verteidigung entspricht dem typologischen Muster zahlreicher Altmark-Burgen des 14. Jahrhunderts. Vergleichsanlagen wie Beetzendorf, Tangeln oder Schloss Goseck zeigen ähnliche Lösungen: Das Pforthäuschen regelte den Zugang vom Dorf zur Vorburg, während der Zugang zur Kernburg separat und von innen gesichert war.

Die Brücke zur Hauptburg von Angern befand sich nordöstlich der Vorburg und war vermutlich durch ein einfaches Zugbrückensystem gesichert. Anders als bei repräsentativen Burganlagen mit befestigtem Brückentor oder Zwingeranlage führte der Zugang hier direkt aus dem Nordflügel der Vorburg zur Hauptinsel. Hinweise auf ein Torhaus unmittelbar an der Brücke fehlen, was auf eine bewusst pragmatische Trennung zwischen wirtschaftlichem Vorbereich und dem stärker geschützten Kern der Anlage hindeutet. Die Sicherung der Brücke erfolgte vermutlich von innen heraus – durch verriegelbare Türen oder Fallriegelsysteme im Nord- oder Westflügel. 

Verteidigungsschwäche: In Belagerungssituationen stellte dieser Zugang eine potenzielle Schwachstelle dar, insbesondere wenn die Vorburg bereits gefallen war. Die Vorburg war funktional, aber strategisch schwach. Ein Angreifer hätte sie leicht überwinden können und wäre sofort an der Brücke zur Hauptburg gewesen. Nur interne Sicherungen – etwa im Nordflügel – konnten diese Schwachstelle kompensieren. Die Trennung zwischen Versorgung und Verteidigung war dadurch grundsätzlich angreifbar.

Typologische Vergleiche

Auch andere Burgen der Altmark im 14. Jahrhundert zeigen ähnliche funktionale Trennungen zwischen Vorburg und Kernburg. Bei der Burg Beetzendorf beispielsweise verlief die Brücke vom Wirtschaftshof zur Kernburg ebenfalls ohne massives Torhaus, sondern wurde durch einfache Zugbrücken- oder Sperrmechanismen gesichert. Die Burg Apenburg weist eine vergleichbare Brückenverbindung auf, wobei hier der Zugang stärker durch Mauern gefasst war. In Tangeln und Letzlingen bestanden ähnliche Organisationsformen: eine vorgelagerte, offene Vorburg mit Zugang zum befestigten Hauptbereich über eine Brücke, die jedoch primär von innen gesichert wurde. Diese Beispiele zeigen, dass die Struktur in Angern – mit einer unbefestigten Vorburg, einem kontrollierten Zugang durch das Pforthäuschen und einer Brücke zur Hauptburg – typisch für die regionale Burgenentwicklung um 1350 war. Freistehende Pforthäuschen waren im spätmittelalterlichen Burgwesen verbreitet. Beispiele:

  • Burg Heldrungen (Thüringen)
  • Schloss Goseck (Sachsen-Anhalt)
  • Burg Hornburg (Niedersachsen)

Sie alle zeigen eine vergleichbare Struktur zwischen Siedlungsbereich und Wirtschaftshof.

Fazit

Das Pforthäuschen von Angern war ein zentrales Element der Gutsorganisation. Es sicherte den Zugang, strukturierte den Verkehr und stellte eine symbolische wie funktionale Schwelle dar. Seine bauliche Erwähnung und die strategische Positionierung machen es zu einem wichtigen Indiz für die Raum- und Herrschaftsstruktur der mittelalterlichen Burg Angern.

Quellen

  • Brigitte Kofal: Dorfchronik Angern
  • Gutsarchiv Angern
  • Ziesemer, Ernst: Die mittelalterlichen Burgen der Altmark. Magdeburg 1994
  • Boockmann, Hartmut: Die Burgen im deutschen Sprachraum. München 2002
  • Pätzold, Steffen: Pforten und Torhäuser im Mittelalter, in: Burgen und Schlösser 1/2017, S. 5–19
Die Quellenlage und baulichen Befunde der Burg Angern: Rekonstruktion einer hochmittelalterlichen Wasserburg. Die Burg Angern in der Altmark stellt ein selten erforschtes Beispiel für eine hochmittelalterliche Wasserburg mit außergewöhnlich gut erhaltener Geländestruktur und greifbaren Bauspuren dar. Errichtet im 14. Jahrhundert unter dem Magdeburger Erzbistum, blieb ihre ursprüngliche Funktionsgliederung – bestehend aus Hauptburg, Vorburg und separater Turminsel – trotz späterer Zerstörungen und barocker Überformungen bis heute in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben sind. Die Umrisse der Gräben und die Insellage lassen sich im heutigen Gelände noch deutlich nachvollziehen und liefern eine seltene, anschauliche Grundlage für die topografische Rekonstruktion der spätmittelalterlichen Burgstruktur. Diese klare Dreigliederung – Wohnbereich, Wirtschaftsbereich und Wehrinsel – ist im norddeutschen Raum nur selten in solcher Klarheit überliefert. Das vorliegende Essay analysiert die archivalischen Quellen und baulichen Überreste und bewertet das Rekonstruktionspotenzial der Anlage im Vergleich mit regionalen Parallelbeispielen.
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum. Hauptburg Angern mit Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
1735 ließ Christoph Daniel von der Schulenburg, ein General im Dienst des Königs von Sardinien, ein neues dreiflügeliges Schloss auf auf der 2. Insel erbauen, auf der sich auch der Turm befand. Dieses Gebäude wurde nach den Plänen des Magdeburger Landbaumeisters Fiedler gebaut, wobei zahlreiche Baufehler auftraten, die eine Fertigstellung verzögerten. Der Bau wurde schließlich unter der Aufsicht von Maurermeister Böse abgeschlossen. Von der ursprünglichen Burg auf der ersten Insel sowie dem Turm auf der zweiten Insel blieben Kellergewölbe erhalten, die heute zum Teil begehbar sind.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1350 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik. Von der Vorburg zum Pforthäuschen
Die Burg Angern im Kontext des hochmittelalterlichen Burgenbaus in der Altmark und im mitteldeutschen Raum. Die hochmittelalterliche Burg Angern zählt zu den am besten bauarchäologisch überlieferten Niederungsburgen im norddeutschen Raum. Ihre topografische Besonderheit – die Trennung von Hauptburg und Wehrturm auf zwei künstlich angelegten Inseln – stellt ein herausragendes Beispiel für die strategische und funktionale Entwicklung von Wasserburgen im 14. Jahrhundert dar. Das vorliegende Essay untersucht die Stellung der Burg Angern im Vergleich zu regionalen Burgenbautypen und reflektiert Gemeinsamkeiten und Abweichungen im Hinblick auf Anlageform, Materialität, Verteidigungskonzept und architektonische Klarheit.
Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern entstand 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg als klassische Niederungsburg auf zwei künstlich angelegten Inseln, geschützt durch ein umfassendes System von Wassergräben. Die räumliche Trennung von Hauptburg und Wehrturm auf zwei eigenständigen Inseln ist im hochmittelalterlichen Burgenbau Norddeutschlands bislang ohne bekannte Parallele dokumentiert. Der Zugang zur Hauptburg erfolgte über eine hölzerne Brücke, die zur möglicherweise westlich vorgelagerten Vorburg führte, welche ihrerseits Wirtschaftsfunktionen wie Stallungen, Lagerräume und Gesindewohnungen beherbergte sowie möglicherweise vom Wehrturm der südlichen Insel. Die Hauptinsel war quadratisch (ca. 35 × 35 m) angelegt. Ein eigenständiges Torhaus ist für Angern nicht nachweisbar; der Zugang wurde vielmehr nachweislich durch ein einfaches Pforthäuschen geregelt – eine Abweichung von der sonst verbreiteten Torhausarchitektur und ein Hinweis auf eine reduzierte, pragmatische Verteidigungsstrategie.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.