Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Ökonomische Entwicklung und Betriebsführung auf dem Gut Vergunst (1674–1744): Das Gut Vergunst bildet ein besonders aufschlussreiches Beispiel für die Transformation altmärkischer Gutsherrschaft im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert. Auf Basis der erhaltenen Inventare und Dienstbücher von 1674, 1725, 1738 und 1744 lässt sich eine präzise wirtschaftshistorische Entwicklung rekonstruieren, die sowohl auf die agrarische Leistungsfähigkeit als auch auf die institutionellen Steuerungsmechanismen des Gutsbetriebs verweist. Besonders aussagekräftig ist dabei das Verhältnis zwischen Eigenwirtschaft und Pachtstruktur sowie der Umgang mit Produktionsmitteln und Arbeit.

Produktionskennzahlen und agrarische Entwicklung

Die agrarische Nutzung des Guts Vergunst war durch eine differenzierte und mitunter wechselnde Bestückung mit Vieh, Feldfrüchten und Gerätschaften gekennzeichnet. Ein Vergleich der erhaltenen Zahlenwerke verdeutlicht signifikante Unterschiede im Tierbestand zwischen 1738 und 1744. So wies das Gut 1738 unter anderem folgende Bestände auf: 4 Pferde, 50 Ochsen, 49 Kühe, 150 Schweine sowie 113 Ferkel. Im Jahr 1744, beim Auszug des Pächters Heinrichs, wurden hingegen 41 Ochsen, 20 Stiere, 56 Kühe, 73 Jungrinder und 280 Schweine gezählt. Die parallele Entwicklung auf dem Schlosshof umfasste zusätzlich 40 Ochsen, 52 Kühe und 42 Jungrinder. Diese Zahlen belegen nicht nur ein signifikantes Wachstum in der Schweinehaltung, sondern auch eine zunehmende Spezialisierung und Trennung von Mast- und Zuchttieren, insbesondere bei den Rindern. Auch die Ausstattung mit Geräten, Pflügen, Eggen, Mistkarren und Mühlenzubehör dokumentiert einen professionell organisierten Gutsbetrieb mit eigenen technischen Ressourcen.

Die Pflanzproduktion umfasste Gerste, Roggen, Hafer, Buchweizen, Erbsen, Bohnen, Wicken, Lein und Hopfen. Neben dem Ackerbau ist für 1738 auch der gezielte Gartenanbau dokumentiert, einschließlich Artischocken, Spargel, Braunkohl und Savoyerkohl. Im Obstbau dominieren Pflaumen, Kirschen, Äpfel und Birnen. Für den Eigenbedarf wurde darüber hinaus in Obstgärten, Hausgärten und Baumgruppen investiert.

Verhältnis zwischen Eigenwirtschaft und Pachtbetrieb

Das Verhältnis zwischen Eigenwirtschaft und Verpachtung stellt einen zentralen Aspekt in der wirtschaftlichen Entwicklung von Gut Vergunst dar. Bis zur Übernahme durch Christoph Daniel von der Schulenburg im Jahr 1738 war das Gut regelmäßig verpachtet, wobei zuletzt der Commissionsrat Schünemann als alleiniger Pächter fungierte. Seine Stellung basierte auf einem klassisch-kontraktualistischen Verhältnis, das ihm zwar ökonomische Handlungsfreiheit ließ, die Kontrolle über Gebäude und Inventar jedoch beim Eigentümer beließ. Dies zeigt sich unter anderem in der vertraglich festgelegten Verpflichtung, das vollständige Inventar zum Johannistermin 1738 an den neuen Eigentümer zurückzugeben.

Ab 1738 übernahm der Amtmann Heinrichs als Pächter beide Betriebseinheiten – sowohl das Schlossgut Angern als auch das Gut Vergunst. Diese Personalunion der Pachtverhältnisse markiert eine neue Phase der betriebswirtschaftlichen Integration. Heinrichs war somit mit der umfassenden Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit des konsolidierten Gutskomplexes betraut. Die Entscheidung, beide Höfe unter einem Pächter zu vereinen, diente der Effizienzsteigerung und der besseren Koordination der Bewirtschaftung. Während zuvor mit Schünemann ein Commissionsrat als alleiniger Pächter der Vergunst agiert hatte, erfolgte nun die Zentralisierung unter einem Amtmann, der in unmittelbarem Kontakt mit dem Eigentümer Christoph Daniel von der Schulenburg und dessen Sekretär Croon stand. Diese Umstellung lässt sich als bewusste Reaktion auf den gestiegenen Verwaltungsbedarf und die ökonomische Neuausrichtung nach dem Kauf verstehen.

Die Rolle der Amtmänner war damit nicht nur administrativ, sondern auch produktionsstrategisch relevant. Sie koordinierten die Dienste der Kossaten, Halbkossaten, Freien und Tagelöhner, organisierten Aussaat, Ernte, Viehaufzucht und Instandhaltung der Gebäude. Besonders die systematische Inventarisierung 1738 und die detaillierte Übergabeprozedur mit vereidigten Taxatoren belegen das hohe Maß an Kontrolle und Rechenschaft, das mit der Pachtübernahme verbunden war.

Schlussbetrachtung

Die wirtschaftliche Entwicklung des Guts Vergunst zwischen 1674 und 1744 war durch eine zunehmende Institutionalisierung, Spezialisierung und Zentralisierung geprägt. Die Überführung der Bewirtschaftung in eine einheitliche Pächterhand, die Integration technischer Ressourcen, die systematische Erhebung von Arbeits- und Dienstpflichten sowie die deutliche Zunahme an Tierbeständen lassen den Betrieb als ein hochgradig rationalisiertes Agrarsystem erscheinen. In dieser Entwicklung spiegeln sich nicht nur die wirtschaftlichen Interessen der Familie von der Schulenburg, sondern auch allgemeine Modernisierungstendenzen im Gutswesen der frühen Neuzeit.

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg im Sommer 1631 durch den Einfall des Holk'schen Regiments – blieben das Erdgeschoss es Palas und der Turm mit mehreren Etagen sowie auch die Tonnengewölbe neben dem Turm erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.