Ökonomische Entwicklung und Betriebsführung auf dem Gut Vergunst (1674–1744): Das Gut Vergunst bildet ein besonders aufschlussreiches Beispiel für die Transformation altmärkischer Gutsherrschaft im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert. Auf Basis der erhaltenen Inventare und Dienstbücher von 1674, 1725, 1738 und 1744 lässt sich eine präzise wirtschaftshistorische Entwicklung rekonstruieren, die sowohl auf die agrarische Leistungsfähigkeit als auch auf die institutionellen Steuerungsmechanismen des Gutsbetriebs verweist. Besonders aussagekräftig ist dabei das Verhältnis zwischen Eigenwirtschaft und Pachtstruktur sowie der Umgang mit Produktionsmitteln und Arbeit.
Produktionskennzahlen und agrarische Entwicklung
Die agrarische Nutzung des Guts Vergunst war durch eine differenzierte und mitunter wechselnde Bestückung mit Vieh, Feldfrüchten und Gerätschaften gekennzeichnet. Ein Vergleich der erhaltenen Zahlenwerke verdeutlicht signifikante Unterschiede im Tierbestand zwischen 1738 und 1744. So wies das Gut 1738 unter anderem folgende Bestände auf: 4 Pferde, 50 Ochsen, 49 Kühe, 150 Schweine sowie 113 Ferkel. Im Jahr 1744, beim Auszug des Pächters Heinrichs, wurden hingegen 41 Ochsen, 20 Stiere, 56 Kühe, 73 Jungrinder und 280 Schweine gezählt. Die parallele Entwicklung auf dem Schlosshof umfasste zusätzlich 40 Ochsen, 52 Kühe und 42 Jungrinder. Diese Zahlen belegen nicht nur ein signifikantes Wachstum in der Schweinehaltung, sondern auch eine zunehmende Spezialisierung und Trennung von Mast- und Zuchttieren, insbesondere bei den Rindern. Auch die Ausstattung mit Geräten, Pflügen, Eggen, Mistkarren und Mühlenzubehör dokumentiert einen professionell organisierten Gutsbetrieb mit eigenen technischen Ressourcen.
Die Pflanzproduktion umfasste Gerste, Roggen, Hafer, Buchweizen, Erbsen, Bohnen, Wicken, Lein und Hopfen. Neben dem Ackerbau ist für 1738 auch der gezielte Gartenanbau dokumentiert, einschließlich Artischocken, Spargel, Braunkohl und Savoyerkohl. Im Obstbau dominieren Pflaumen, Kirschen, Äpfel und Birnen. Für den Eigenbedarf wurde darüber hinaus in Obstgärten, Hausgärten und Baumgruppen investiert.
Verhältnis zwischen Eigenwirtschaft und Pachtbetrieb
Das Verhältnis zwischen Eigenwirtschaft und Verpachtung stellt einen zentralen Aspekt in der wirtschaftlichen Entwicklung von Gut Vergunst dar. Bis zur Übernahme durch Christoph Daniel von der Schulenburg im Jahr 1738 war das Gut regelmäßig verpachtet, wobei zuletzt der Commissionsrat Schünemann als alleiniger Pächter fungierte. Seine Stellung basierte auf einem klassisch-kontraktualistischen Verhältnis, das ihm zwar ökonomische Handlungsfreiheit ließ, die Kontrolle über Gebäude und Inventar jedoch beim Eigentümer beließ. Dies zeigt sich unter anderem in der vertraglich festgelegten Verpflichtung, das vollständige Inventar zum Johannistermin 1738 an den neuen Eigentümer zurückzugeben.
Ab 1738 übernahm der Amtmann Heinrichs als Pächter beide Betriebseinheiten – sowohl das Schlossgut Angern als auch das Gut Vergunst. Diese Personalunion der Pachtverhältnisse markiert eine neue Phase der betriebswirtschaftlichen Integration. Heinrichs war somit mit der umfassenden Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit des konsolidierten Gutskomplexes betraut. Die Entscheidung, beide Höfe unter einem Pächter zu vereinen, diente der Effizienzsteigerung und der besseren Koordination der Bewirtschaftung. Während zuvor mit Schünemann ein Commissionsrat als alleiniger Pächter der Vergunst agiert hatte, erfolgte nun die Zentralisierung unter einem Amtmann, der in unmittelbarem Kontakt mit dem Eigentümer Christoph Daniel von der Schulenburg und dessen Sekretär Croon stand. Diese Umstellung lässt sich als bewusste Reaktion auf den gestiegenen Verwaltungsbedarf und die ökonomische Neuausrichtung nach dem Kauf verstehen.
Die Rolle der Amtmänner war damit nicht nur administrativ, sondern auch produktionsstrategisch relevant. Sie koordinierten die Dienste der Kossaten, Halbkossaten, Freien und Tagelöhner, organisierten Aussaat, Ernte, Viehaufzucht und Instandhaltung der Gebäude. Besonders die systematische Inventarisierung 1738 und die detaillierte Übergabeprozedur mit vereidigten Taxatoren belegen das hohe Maß an Kontrolle und Rechenschaft, das mit der Pachtübernahme verbunden war.
Schlussbetrachtung
Die wirtschaftliche Entwicklung des Guts Vergunst zwischen 1674 und 1744 war durch eine zunehmende Institutionalisierung, Spezialisierung und Zentralisierung geprägt. Die Überführung der Bewirtschaftung in eine einheitliche Pächterhand, die Integration technischer Ressourcen, die systematische Erhebung von Arbeits- und Dienstpflichten sowie die deutliche Zunahme an Tierbeständen lassen den Betrieb als ein hochgradig rationalisiertes Agrarsystem erscheinen. In dieser Entwicklung spiegeln sich nicht nur die wirtschaftlichen Interessen der Familie von der Schulenburg, sondern auch allgemeine Modernisierungstendenzen im Gutswesen der frühen Neuzeit.